Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
Zaum hatte.
Noch mehr Unbehagen als die beiden Lüstlinge bereitete der jungen Frau allerdings die vermummte Gestalt, die sich auf dem Diwan ihr direkt gegenüber niedergelassen hatte. Der Mann – dass es ein Mann war, hatte sie an seiner Stimme erkannt – trug einen langen Mantel mit hohem Kragen, der seine untere Gesichtshälfte verdeckte. Seine Augen verschwanden hinter dunkel glänzenden, undurchsichtigen Sehgläsern, und auf dem Kopf trug er einen Hut mit ausladender Krempe. Seine behandschuhten Hände hielten einen Morgenmantel umfasst und zogen daran, als nähe er mit unsichtbarem Faden an dem Kleidungsstück herum. Jeder andere Mann hätte Elisabeth mit diesen komisch wirkenden Gesten vermutlich ein Kichern entlockt. Aber der Fremde hatte sie gleich nach ihrem Aufwachen nur einmal kurz durch seine schwarzen Gläser, die an die leeren Augenhöhlen eines Totenschädels gemahnten, angestarrt. Seitdem schauderte es sie, wann immer ihr verstohlener Blick auf ihn fiel.
»Ich habe es geschafft«, sagte der Mann in diesem Moment. Er stand auf, hob den Morgenmantel hoch und hielt ihn vor sich in die Luft wie eine Wünschelrute.
»Tatsächlich, der Mantel zeigt nun in eine andere Richtung – direkt nach Westen«, murmelte einer der Männer, der einen walisischen Akzent hatte.
Der Mann mit den Sehgläsern und dem Hut nickte. »Gehen wir. Je schneller wir Kentham finden, desto besser.«
»Jonathan?«, entfuhr es Elisabeth. »Was wollen Sie von Jonathan?«
»Das soll nicht Ihre Sorge sein«, erwiderte der Vermummte.
»Wollen wir nicht noch auf Crandon warten? Er müsste jeden Moment mit diesem anderen Kerl auftauchen«, sagte der Lüstling Whitby.
»Er kommt nicht mehr«, gab der Vermummte zurück.
»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte der Waliser.
Der Mann drehte den Kopf und starrte Whitby unverwandt an. »Wenn alles gut gegangen wäre, hätte er sich schon vor zwei Stunden zu uns gesellt.«
Der Waliser blinzelte. »So einfach geht das bei Ihnen? Jemand arbeitet nicht ganz nach Plan, und er wird abgeschrieben?«
»Ja. Wir haben keine Zeit, einen Tölpel zu suchen, dem es nicht einmal gelingt, einen gewöhnlichen Mann zu entführen. Aber wenn Sie möchten, gehen Sie ihn suchen. Ich brauche Ihre Hilfe nicht.« Der Vermummte wandte ihm den Rücken zu. Das Gespräch schien für ihn erledigt zu sein.
Der Waliser blickte zu dem Mann, der angesichts der Worte des Vermummten vielleicht doch nicht der Anführer war.
Dieser schüttelte den Kopf. »Er hat recht, Mister ap Llywelyn. Wir haben im Augenblick wichtigere Dinge zu tun …« Er stockte.
»Was ist los?«, wollte ap Llywelyn wissen.
Der Mann griff in seine Jackentasche und zog einen eiförmigen Gegenstand hervor, der in dumpfem glutrotem Licht pulsierte. »Jemand hat die Falle ausgelöst, die ich zurückgelassen habe, als wir das Ordenshauptquartier räumten«, erklärte er.
»Vielleicht ein Schnüffler vom Yard?«, mutmaßte Whitby.
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Nein, die Falle reagiert nur auf …« Er hielt inne und warf Elisabeth einen raschen Seitenblick zu. »… unsereins. Sie wissen schon.«
»Unerheblich«, sagte der Vermummte. »Unser Ziel ist klar. Wir sollen Kentham ergreifen.«
»Das ist nicht unerheblich«, widersprach der Mann. »Kentham ist uns sicher, nun, da Sie seine Schutzvorkehrungen durchbrochen haben. Diese Person hier …« Er hob den leuchtenden Gegenstand hoch. »… wird nur eine endliche Zeitspanne vor Ort sein. Wir müssen jetzt zuschlagen. Uns wurde, wie Sie sicher wissen, auch befohlen, uns um die übrigen Unruhestifter zu kümmern.«
»Ich werde dafür bezahlt, Kentham festzusetzen. Genau das werde ich tun«, erklärte der Vermummte in einem Tonfall, der keine weiteren Diskussionen zuließ.
Das Gesicht des anderen verfinsterte sich. Elisabeth hatte das dumpfe Gefühl, einem unausgesprochenen Machtkampf beizuwohnen. »Gut, dann teilen wir uns«, sagte der Mann nach einem kurzen Moment des gegenseitigen Anstarrens. »Sie und Whitby kümmern sich um Kentham. Ist er allein, schlagen Sie zu. Ist er in Begleitung, unterbreiten Sie ihm ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann. Ap Llywelyn, Llawgoch und ich fahren unterdessen los und finden heraus, wer sich in unserem früheren Wohnzimmer herumtreibt.«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, knurrte der Vermummte, bevor er sich an Whitby wandte. »Kommen Sie. Holen Sie Ihre Waffe, dann brechen wir auf.«
»Was geschieht mit ihr?«, fragte dieser und
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