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Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Titel: Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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»Können wir?«
    Der Offizier gab seinen Männern ein Zeichen, und die beiden Luftschiffer hievten den Spähkorb ein wenig vom Boden hoch, um ihn über die Luke zu manövrieren. Anschließend fingen sie an zu kurbeln, und das fragile Gerät sank langsam in die Tiefe.
    Kalte, feuchte Luft umfing Lionida. Sie biss die Zähne zusammen und schlang die Arme fröstelnd um den Oberkörper. Über ihr in der Luft hing die gewaltige Masse des Luftschiffes, ein Anblick, der ihr fast noch unangenehmer war als das Wissen, dass nur ein dünnes Drahtgeflecht und eine Bahn Stoff zwischen ihr und sehr viel Leere lagen.
    Ein Blick über den Rand des Spähkorbs zeigte ihr, dass sie sich dem unteren Ende der Wolkendecke näherte. Der Dunst nahm ab, und sie vermochte erste Lichter der Häuser tief unter ihr zu erkennen. Hätten wir noch ein paar Stunden gewartet, wäre vermutlich die ganze Stadt im Nebel versunken und ich hätte mit dem Spähkorb direkt auf dem Picadilly Circus aufsetzen können , dachte Lionida. Aber Zeit war ein kostbares Gut, denn mit jeder verstreichenden Stunde mochten die Dinge hier in England höchst unerfreuliche Wendungen nehmen.
    Die Magieragentin beugte sich noch ein wenig vor und versuchte sich zu orientieren. Sie stellte fest, dass die Navigationsinstrumente des Luftschiffes erstaunlich genau waren. Unter ihr und etwas zur Linken lag das prunkvoll am Ufer der Themse aufragende Parlamentsgebäude von London, dessen berühmter Uhrturm die Glocke Big Ben beherbergte, die Stimme Britanniens, wie man sie gemeinhin nannte. Während der Spähkorb gemächlich tiefer sank, erklang auf einmal eine aus vier Glockenschlägen bestehende Tonfolge – das Zeichen zur Viertelstunde.
    Näher und näher kam der Uhrturm, und Lionida wurde klar, dass sie nicht ohne Grund über dem Westminster-Palast haltgemacht hatten. Offensichtlich gedachte von Stein, sie auf der Spitze des Turms abzusetzen. »Sie sind wirklich ein Spaßvogel«, murmelte die Magieragentin. Es war keinesfalls unmöglich, von dort ungesehen zur Straße hinabzugelangen, aber es gab sicher einfachere Wege nach London hinein.
    Ihre Befürchtung bestätigte sich, als der Spähkorb in unmittelbarer Nähe der gusseisernen Dachspitze mit einem Ruck zum Stehen kam. Lionida musterte das schwarze Metall, das von goldenen Zierelementen geschmückt wurde, und schätzte die Entfernung und den besten Ansatzpunkt ab. Noch immer trennten sie beinahe hundert Meter vom Boden, und ein Sprung in dieser Höhe behagte ihr nicht wirklich.
    Aber ihr blieb keine Zeit zum Zaudern. Ungeachtet des über der Stadt liegenden Dunstes und der hereinbrechenden Dunkelheit saß sie hier gewissermaßen auf dem Präsentierteller. Dass es sicher kaum einen Ort in London gab, an dem die Einwohner häufiger zum Himmel schauten, als hier, hatte ihr Gastgeber in seiner Begeisterung für sein technisches Spielzeug offenbar vollkommen vergessen. Daher erhob sich Lionida, stellte sich breitbeinig in den Korb und wechselte in die Wahrsicht. Mit einem letzten Blick versicherte sie sich ihres Ziels.
    Dann schoss sie ein Fadenbündel auf das Dach des Turms ab und sprang.
    Rasend schnell kam das Dach näher. Kurz vor dem Aufprall warf sie sich herum und feuerte ein zweites Fadenbündel auf den Spähkorb ab. Es gab einen Ruck, und sie hing zwischen den beiden Fäden in der Luft. Elegant ließ sie sich abwärts sinken und erreichte ein schmales Sims direkt unter der Dachspitze, das von einem halbhohen Geländer eingefasst war.
    Dort ging Lionida in die Hocke und atmete tief ein und aus. Die erste Hürde war genommen. Aber noch war es nicht vorbei.
    Mit einigen raschen Bewegungen hüllte sie sich in einen Unsichtbarkeitszauber. Anschließend befestigte sie ein Fadenbündel an dem Geländer, schwang sich darüber und lief an dem Bündel wie an einem Halteseil entlang rückwärts zwischen kleinen Fenstergauben hindurch die untere Hälfte des dunklen Turmdachs hinunter, um sich anschließend an einem weiteren Faden auf einen umlaufenden Balkon direkt oberhalb der riesigen Zifferblätter hinabzulassen.
    Sie umrundete den Balkon, bis sie die nach Süden zeigende Seite des Uhrturms erreicht hatte und sich unter ihr die Dächer des Westminster-Palastes erstreckten. Es ging ihr nicht darum, sich vor den Blicken neugieriger Fußgänger auf der Westminster Bridge oder am Themseufer zu verbergen – der Unsichtbarkeitszauber schützte sie diesbezüglich zuverlässig. Doch dadurch verkürzte sich der Weg, den sie an der

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