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Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Titel: Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Hab und Gut stehlen. Sie widerstand der Versuchung, das Kofferschloss mittels Fadenmagie zu knacken und einen Blick auf dessen geheimnisvollen Inhalt zu werfen. Stattdessen zog sie den Vorhang am Fenster leicht zur Seite und klappte selbiges auf, um nach draußen zu schauen und sich zu orientieren, wo sie sich gerade befanden.
    Die Landschaft hatte sich deutlich verändert. Wie sie schon angenommen hatte, waren sie über Nacht sicher hundert Kilometer weit nach Nordwesten gefahren und befanden sich nun irgendwo im Alpenvorland, vermutlich im Piemont. Zur Linken und zur Rechten erhoben sich bewaldete Hügelketten und versperrten den Blick auf das eigentliche Alpenmassiv mit seinen schneebedeckten Mehrtausendern, das sich dahinter erhob. Ein gewundener Flusslauf schlängelte sich unweit der Straße das Tal entlang, und in einiger Entfernung waren die roten Ziegeldächer eines Dorfes zu sehen. Der Himmel war frisch und klar, und lichte weiße Nebelschwaden hingen zwischen den Bäumen an den Flanken der Hügel.
    »Wo sind wir?«, meldete sich Scarcatore auf einmal von der anderen Sitzbank zu Wort.
    Lionida zog den Kopf zurück in die Kutsche und zuckte mit den Schultern. »Irgendwo am Rand der Alpen. Mehr vermag ich Ihnen auch nicht zu sagen.« Sie zog das Fenster vorne zum Kutschbock auf. »He, sind wir bald da?«, fragte sie ihren Fahrer.
    »Ja, bald«, erwiderte dieser mit einem Nicken. »Vielleicht noch zwei Stunden.«
    Seufzend schob sie das Fenster wieder zu und öffnete ihren Vorratskorb, um ein kleines Frühstück zu sich zu nehmen. Was hätte sie auch sonst machen sollen?
    Bald darauf beschrieb das Tal eine Rechtskurve, und ihr Weg verlief etwa zehn Kilometer weit direkt nach Norden. Doch als Lionida sich schon zu fragen begann, ob ihre Reise sie schnurstracks in die Schweiz führen würde, bog der Kutscher in einem kleinen Bergdorf wieder nach links ab und brachte sie auf eine unwegsame Karrenstraße, der sie, an einem plätschernden Gebirgsbach entlang, in ein abenteuerlich schmales Tal hinein folgten. Keine Menschenseele begegnete ihnen, nur einmal kam ihnen ein Schäfer mit einer bescheidenen Herde schmutzig weißer Schafe entgegen.
    Wohin bringt uns dieser Mann? , fragte Lionida sich. Kann es einen Ort geben, der noch abgelegener und einsamer ist als dieser hier?
    Sie erhielt die Antwort darauf, als sie auch die letzte, an einem kleinen See gelegene Kemenate passierten und sich direkt vor ihren Augen das Westalpenmassiv erhob. Majestätisch ragten die Dreitausender in den morgendlichen Himmel, und ihre schneebedeckten Kuppen glitzerten in der Morgensonne, die gerade im Osten aufging. Es war unzweifelhaft ein Anblick von atemberaubender Schönheit, doch stärker denn je nagte an Lionida die Frage, was sie so weit oben im Gebirge eigentlich zu suchen hatten.
    Ihre Kutsche bewegte sich mittlerweile auf einem Weg, der kaum mehr diesen Namen verdiente und sich in Serpentinen zwischen zwei imposanten Gipfeln hinaufzog. Jetzt verstand Lionida auch, weshalb der Kutscher vier Pferde vor ein Gefährt, das man leicht mit zweien hätte ziehen können, gespannt hatte. Ohne die zusätzliche Zugkraft wären sie kaum noch von der Stelle gekommen. Je höher sie kamen, desto weniger Bäume und Büsche säumten ihren Weg. Irgendwann hörten sie ganz auf, und es gab nur noch Gras, Moose und blauen Enzian.
    Schließlich erreichten sie den oberen Rand der Bergflanke, die in einen weiten Talkessel überging, der zu drei Seiten von den Steinmassiven der noch höheren Gipfel schützend eingefasst war. Der Kessel wäre eigentlich vollkommen unscheinbar und uninteressant gewesen, ein karges, von Schutt und Geröll bedecktes Rund inmitten ebenso lebensfeindlicher Berghänge, dennoch hielt Lionida unwillkürlich den Atem an, als sie aus dem Fenster blickte.
    Denn das Tal war keineswegs leer. Mehrere Hütten und hölzerne Lagerhallen befanden sich dort, sauber gezimmert und streng angeordnet wie bei einer Kaserne. An ein Militärlager erinnerte auch der hohe Zaun, der in regelmäßigen Abständen von einfachen Wachtürmen gesäumt war. Im vorderen Bereich gab es einen Einlass mit einer Schranke und einem Wärterhäuschen. Männer in blauen Uniformen und brauner Arbeiterkleidung gingen zwischen den Häusern umher.
    All das mochte unerwartet und nachgerade erstaunlich sein, und doch verblasste es neben dem unglaublichen Anblick, der sich Lionida im hinteren Bereich des Talkessels bot. In der Rückwand des Tals befand sich der riesenhafte

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