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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Testsubjekte zu meiner Verfügung, als mir lieb wäre.
    Zur Sicherheit fesselte er Wilkins’ Kopf an den Steinblock unter ihm. Was Wellington vorhatte, erforderte Präzision, und schon ein leichtes, unbewusstes Hin- und Herdrehen des Kopfes konnte alles zunichte machen. Danach löste er einen Teil seines eigenen Geistes aus seinem Bewusstsein und drang behutsam durch die Stirn in den Schädel seines Testsubjekts ein. Der Schädelknochen stellte dabei kein Hindernis dar, da Wellington allein mental vorstieß.
    Da war es … Wilkins’ schlafendes Bewusstsein. Mit geisterhaften Fingern strich der Erste Lordmagier darüber, erforschte es, erspürte es, trennte Erinnerungen von Begriffsvermögen, die bewusste Kontrolle über Arme und Beine von der unbewussten über Herz, Lunge und andere Organe. Er glitt Nervenbahnen entlang, reizte sie und horchte, inwieweit sich Wilkins’ Wille und Widerstand zu regen begannen.
    »Wenn Sie auf diese Weise beabsichtigen, eine Armee aufzustellen, sollten Sie Ihre Methode beschleunigen«, ließ sich Polidori mit leichtem Spott vernehmen.
    »Ich gehe es absichtlich etwas langsamer an, weil ich den Aufbau des Bewusstseins noch nie in dieser gründlichen Art zu studieren vermochte«, gab Wellington ein wenig ungehalten zurück. »Natürlich könnte ich direkt zur Tat schreiten und die fraglichen Bereiche von Wilkins’ Geist zerstören. Aber wo bliebe da der wissenschaftliche Entdeckergeist?«
    »Ihr Entdeckergeist in allen Ehren, aber geht es uns gegenwärtig nicht vorrangig darum, Ergebnisse zu erzielen?«
    Stets so ungeduldig, dachte der Erste Lordmagier. So war Polidori schon immer. Ein brillanter Kopf, aber ohne die Gabe, ein Problem mit der nötigen Geduld und Methodik anzugehen. Deshalb wird es auch mir vergönnt sein, dort Erfolg zu haben, wo er letzten Endes scheiterte.
    »Das habe ich gehört«, sagte Polidori, aber er wirkte nicht ernsthaft beleidigt. »Beweisen Sie es mir, und ich werde Ihr gelehriger Schüler sein, Victor. Nur verschwenden Sie nicht meine und Ihre Zeit mit Grundlagenforschung. Dazu bleibt uns noch mehr als genug Gelegenheit, wenn wir erreicht haben, was Sie anstreben.«
    »Also gut«, knurrte Wellington. Er verstärkte seinen mentalen Griff um Wilkins’ Bewusstsein. Der Mann auf dem Steinblock begann sich in schwachem Protest zu regen, und ein leises Stöhnen kam über seine Lippen. »Keine Sorge, mein Bester. Dank der Fürsprache unseres guten Doktors ist es gleich vorbei«, besänftigte Wellington ihn mit kalter Stimme.
    Er ertastete die Stellen von Wilkins’ Hirn, in denen sich seine Erinnerungen und sein Verstand befanden. Dann versenkte er sich noch tiefer in die Magie und wechselte in die dritte Sphäre. Das charakteristische rote Wimmeln von Myriaden von Fäden wurde um ihn herum sichtbar. Es war, als habe er sich kopfüber in ein Meer aus Ameisen gestürzt. Geführt von seinen mentalen Fühlern ergriff er Wilkins’ Gehirn und löschte es aus, zerstörte alle Nervenbahnen und Neuronenbündel, die aus einem Menschen ein eigenständig denkendes und fühlendes Geschöpf machen. Zurück blieb nichts als eine fleischliche Hülle, gut versorgt von allen unbewussten Kontrollvorgängen und ausgestattet mit den Erinnerungen an sämtliche nötige Bewegungsabläufe, aber von kaum mehr Verstand beseelt als die Grünalgen, die vor der felsigen Küste der Insel im Ozean trieben.
    Wellington kehrte in die zweite Sphäre zurück und trat einen Schritt nach hinten. Langsam füllte er mit seinem eigenen Geist die Leere aus, die nun in Wilkins’ Kopf herrschte. Danach erzeugte er ein Gefühl von Dringlichkeit, das den Mann aus seiner Bewusstlosigkeit weckte. Wie erhofft und beabsichtigt entflammte dessen Inneres nicht im hellen Feuer eines wachen Verstandes, sondern glühte nur mehr schwach wie eine einzelne Kerze in der Finsternis geistiger Umnachtung. Jetzt gehörst du mir, dachte Wellington zufrieden.
    Probeweise befahl er Wilkins, seinen Arm zu heben. Tatsächlich hob er ihn, wenn auch schwerfällig und ungelenk, so, als müsse er sich an die Bewegung erst wieder erinnern. Es würde etwas Übung kosten, die menschlichen Marionetten zu steuern. Mit einer raschen Bewegung löste der Erste Lordmagier die Fadenfesseln um den Kopf von Drummonds ehemaligem Adjutanten, danach gebot er ihm, aufzustehen und sich vor Polidori hinzustellen. Er versuchte, Wilkins zu einem Lächeln zu bewegen, und es gelang ihm sogar leidlich gut.
    Wellington schloss sich diesem Lächeln an.

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