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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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brachten unterhaltungslustige Söhne und Töchter der Londoner Oberschicht zu den Theatern am Strand.
    »Was wird heute Abend eigentlich gegeben?«, fragte Feodora, während der Kutscher ihr Gefährt geschickt in den Strom einfädelte.
    » Madame Sans-Gêne von Victorien Sardou und Émile Moreau«, antwortete Connery, der sich im Gegensatz zu Feodora offenbar vorbereitet hatte.
    »Ein französisches Stück?«
    »Ja, eine historische Romanze, wenn mich nicht alles täuscht. Sie handelt von einer Wäscherin, der zur Zeit Napoleon Bonapartes der Aufstieg in die höchste Gesellschaft gelingt. Ihre Großtante dachte wohl, es würde Sie erbauen, Hoheit.«
    Grundgütiger, das klingt ja schrecklich, dachte Feodora. Tante Louise muss mich hassen. Doch sie sprach die Gedanken nicht aus, sondern zwang sich zu einem Lächeln. »Das wird es sicherlich, Captain. Ich fiebere dem Verlauf dieses Abends regelrecht entgegen.«
    Und zumindest der zweite Satz war nicht einmal gelogen.
    26. April 1897, 21:00 Uhr GMT
    England, London, Strand, Lyceum-Theater
    »Da wären wir«, sagte Cutler.
    »Und so pünktlich, wie man nur sein kann«, fügte Professor Filby mit einem Blick auf seine Taschenuhr hinzu.
    Sie traten in den Schatten der mächtigen Säulen, die zu der tempelartigen Eingangsfassade des Lyceum-Theaters gehörten, und blieben dort stehen, um auf die Ankunft ihrer geheimnisvollen Briefschreiberin aus dem Buckingham Palace zu warten. Schwarze, blank polierte Kutschen fuhren an ihnen vorbei, und herausgeputzte Damen und Herren flanierten den Strand hinunter. Niemand schien sich für sie zu interessieren.
    »Mir gefällt das alles nicht«, murmelte Peabody. »Schon unsere Fahrt zum Buckingham Palace barg das Risiko, von Wellingtons Häschern entdeckt zu werden. Doch dies hier … Viel öffentlicher können wir uns kaum zur Schau stellen.« Voller Unbehagen sah er sich um, und Cutler erkannte an dem schwachen Schimmer in seinen Augen, dass der Anwalt die Umgebung in der Wahrsicht nach möglichen Feinden absuchte.
    »Beruhigen Sie sich, Mister Peabody«, sagte Cutler. »Inmitten dieser ganzen Menschen sind wir so sicher wie in Abrahams Schoß. Kein Magier würde vor so vielen Zeugen seine Kräfte anwenden. Darüber hinaus ist es um Wellingtons Häscher so still geworden, dass ich wirklich glaube, sie haben die Stadt verlassen, um Mister Kentham nachzujagen. Oder sehen Sie etwas Verdächtiges?«
    Der Anwalt schüttelte den Kopf. »Nichts Verdächtiges, aber einiges Beunruhigendes. Wenn das Magieniveau weiter so ansteigt, erwachen demnächst die Häuser von London selbst zum Leben.«
    Filby räusperte sich geräuschvoll. »Da kommt eine Dame in Cape und Hut auf uns zu«, meldete er.
    Cutler wandte den Kopf und sah die Worte des Professors bestätigt. Es handelte sich um eine junge Frau von höchstens zwanzig Jahren. Sie war hübsch, wenn auch keine herausragende Schönheit, und hatte einen mit Floralmuster verzierten blauen Umhang an, den sie mit der Rechten vorne geschlossen hielt. Da sie das Kleidungsstück offenkundig nur rasch übergeworfen hatte, musste sie aus dem benachbarten Eingang des Lyceum-Theaters gekommen sein. Das passte. Das Stück, das dort gegeben wurde, hatte ungefähr gegen neun Uhr Pause.
    »Guten Abend, meine Herren«, sagte die junge Frau mit hörbar deutschem Akzent. »Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind.« In ihren großen grauen Augen glitzerte Aufregung und so etwas wie Vorfreude.
    Cutler nahm seinen Zylinder ab und verbeugte sich leicht. Filby und Peabody folgten seinem Beispiel. »Nun, Ihr mysteriöses Schreiben machte es uns im Grunde unmöglich, nicht zu kommen«, erwiderte Dunholms ehemaliger Sekretär. »Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Cutler. Das hier sind Professor Filby und Mister Peabody.«
    »Hocherfreut«, sagte Peabody mit vor Ergriffenheit leicht gerötetem Gesicht.
    Die junge Frau schenkte dem Anwalt ein Lächeln. »Danke.« Sie warf einen Blick über die Schulter, so, als erwarte sie, dass ihr jemand aus dem Eingang des Theaters folgen könnte. Ihre Begleitung weiß also nichts von diesem Treffen, erkannte Cutler. Denn dass eine junge Dame wie sie abends alleine das Theater besuchte, war undenkbar. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir unser Gespräch an einem ungestörterem Ort fortsetzen, vielleicht in meiner Kutsche?« Sie deutete auf ein vierspänniges Gefährt, das in einiger Entfernung am Straßenrand parkte.
    Die Männer wechselten einen kurzen Blick.

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