Magierdämmerung 03 - In den Abgrund
Ohren in der Angelegenheit.«
»Der Gedanke ist nicht schlecht«, meinte Filby. »Ich habe von Parsons schon gehört. Er ist ein begabter Konstrukteur und soll sich seit einigen Jahren mit einem neuartigen Schiffsantrieb beschäftigt haben. Wenn er diesen zur Reife entwickelt hat, wäre das eine kleine Sensation – und selbstverständlich könnte es unsere Fahrt zu Wahren Quelle spürbar verkürzen.«
»Na schön, also werden wir mit diesem Herrn mal reden«, stimmte Cutler zu. Er zog seine Taschenuhr hervor und blickte stirnrunzelnd darauf. »Es ist schon spät am Abend, aber noch nicht zu spät. Am besten begeben wir uns gleich zum Savoy Hotel.«
»Fein. Ich komme mit«, verkündete Feodora.
»Sie sollten wirklich zu Ihrem Captain Connery zurückkehren«, widersprach Cutler. »Er wird sich zweifellos Sorgen machen.«
»Ach was. Das Theaterstück dauert bis elf Uhr. Jetzt haben wir noch nicht einmal zehn. Wenn ich zurück bin, bevor er sich auf den Heimweg machen will, genügt das vollkommen. Ich werde ihm dann schon irgendeine Entschuldigung auftischen. Uns bleibt also noch genügend Zeit – es sei denn, die Gentlemen möchten sie lieber mit Diskutieren verschwenden?« Mit süßlichem Lächeln warf sie einen Blick in die Runde.
Cutler, Filby und Peabody sahen sich an. Anschließend seufzte Feodoras grauhaariger Sitznachbar und machte eine vage Geste in Richtung Kutschbock. »Teilen Sie bitte Ihrem Kutscher unser neues Ziel mit, Hoheit.«
Feodora frohlockte innerlich, bevor sie der Aufforderung Folge leistete.
26. April 1897, 21:40 Uhr GMT
England, London, Strand, Savoy Hotel
»Guten Abend, Gentlemen. Und die Dame. Was kann ich für Sie tun?« Der Mann in der dunkelblauen Uniform, der hinter der Rezeption im Foyer des Savoy Hotels stand, nickte ihnen höflich zu. Es schien ihn entweder nicht zu wundern, dass um diese fortgeschrittene Stunde eine junge Frau mit drei älteren Herren im Hotel eintraf, oder er verbarg den Umstand gekonnt hinter einer Fassade einstudierter Dienstbarkeit.
»Guten Abend«, erwiderte Cutler. »Wir würden gerne Mister Parsons sprechen, der in Ihrem Haus logieren soll. Könnten Sie bitte in Erfahrung bringen, ob er bereit ist, uns zu empfangen?«
»Ich bedaure, Sir, aber Mister Parsons ist derzeit nicht anwesend«, erklärte ihnen der Mann. »Er wollte hinunter zur Themsepromenade, um sich ›ein wenig die Beine zu vertreten und den Kopf freizubekommen‹, wie er sich auszudrücken pflegte. Sie können allerdings gerne eine Nachricht für ihn hinterlassen.«
Cutler dachte kurz darüber nach und schüttelte dann den Kopf. »Nein, danke, im Augenblick nicht. Vielleicht kommen wir aber auf das Angebot zurück.«
»Wie Sie wünschen«, sagte der Empfangsangestellte steif.
»Eine Frage hätte ich noch«, setzte Cutler nach. »Mister Parsons kam mit seinem eigenen Schiff nach London. Wissen Sie zufällig, wo es festgemacht hat?«
»Nein, tut mir leid, Sir. Aber die Themse hinunter, auf der Höhe des Temple, gibt es einige Liegeplätze. Vielleicht finden Sie es dort.«
»Verbindlichsten Dank.« Cutler lüftete seinen Zylinder. Dann nickte er den anderen zu, und gemeinsam verließen sie das Hotel wieder.
»Schon wieder ein Reinfall«, meldete sich Peabody zu Wort, während sie in Richtung Strand zurückgingen.
»Noch ist nicht alles verloren«, widersprach Cutler. »Ich schlage vor, einen kleinen Abendspaziergang die Themse entlang zu unternehmen. Man sagt, das Victoria Embankment ist wunderschön bei Nacht.«
Peabody schnaubte abfällig. »Wenn es nicht gerade im dichten Nebel versinkt.«
»Diesbezüglich haben wir heute Abend Glück. Wenn ich es recht sehe, herrscht so gut wie kein Nebel.« Cutler machte eine einladende Geste in Richtung einer schmalen Gasse, die direkt neben dem Hotel zum Fluss hinunterführte.
»Ich unterstütze Mister Cutlers Vorschlag«, ließ sich Feodora vernehmen.
Das überraschte diesen kaum. Die junge Frau schien von einem unerschöpflichen Tatendrang erfüllt zu sein und jede Gelegenheit, sich ihrer eigentlichen Abendunterhaltung zu entziehen, beim Schopfe zu ergreifen.
»Also schreiten Sie voraus, Mister Cutler, bevor es noch später wird«, sagte Filby.
Sie gingen die Gasse hinunter und wandten sich am Ende nach links. Vor ihnen erstreckte sich die Allee aus Bäumen, unter denen die von Gaslaternen erhellte Promenade des Victoria Embankment lag. Zur Rechten strömte lautlos das dunkle Wasser der Themse an ihnen vorüber, und nicht weit
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