Magierdämmerung 03 - In den Abgrund
Carlyle und der Franzose darin versagt, den letzten Widerstand von Dunholms Getreuen zu brechen«, murmelte er. »Das ist höchst enttäuschend.«
Was er nicht laut aussprach, war die Befürchtung, dass somit womöglich eingetreten war, wovor er Hyde-White bereits kurz nach der Übernahme des Ordens des Silbernen Kreises gewarnt hatte. Diesem elenden Niemand Jonathan Kentham, dessen Name ihm nicht einmal bekannt wäre, hätte Carlyle ihn sich nicht gemerkt, mochte es gelungen sein, mithilfe von Dunholms Ring ein Quellsiegel herzustellen. Vermutlich steckte auch dieser ominöse Freund Dunholms namens McKellen mit drin, dieser Wächter der Wahren Quelle, dessen er nie hatte habhaft werden können.
Wellington straffte sich und fasste einen Entschluss. Sein fünfter Panzersoldat musste warten. Es wurde dringend Zeit, dass er sich seinem zweiten Projekt widmete. »Tun Sie mir einen Gefallen, Tisiphone, und suchen Sie Hyde-White. Sagen Sie ihm, er soll alle Magier und Quellhüter oben auf der Pyramide bei der Wahren Quelle versammeln. Es gilt, ein Ritual durchzuführen, das uns endgültig unangreifbar macht.«
Die Rachegöttin schenkte ihm ein raubtierartiges Lächeln. »Aber gerne.«
Victor Mordred Wellington stand auf der Spitze der Quellpyramide und blickte auf die annähernd siebzig Männer, Frauen und Fischwesen hinab, die sich vor ihm versammelt hatten. Doktor Polidori, Hawkridge, Lord Bowminster und die junge Miss Hollingworth standen in der ersten Reihe. Hyde-White flankierte Wellington wie ein riesiger silberner Schatten. Und Tisiphone hockte etwas abseits auf einer der zerborstenen Säulen des Tempelrunds und starrte mit sorgsam zur Schau gestellter Feindseligkeit auf die ›niederen Sterblichen‹ zu ihren Füßen.
Der Erste Lordmagier trat einen Schritt auf die Zuhörenden zu und hob die Stimme. »Zum ersten Mal stehen wir hier alle versammelt im Schein der Wahren Quelle der Magie. Manche von Ihnen wünschen, ihrer Macht zu dienen, andere hoffen darauf, dass ihre Macht ihnen einen Dienst erweisen möge. Ich sage heute: All diese Wünsche werden erfüllt, sobald wir die Quelle gebändigt und unter unsere Kontrolle gebracht haben. Wird das jemals geschehen, mag sich der eine oder andere von Ihnen fragen? Oder redet der Erste Lordmagier nur von schönen Hirngespinsten, damit wir nicht verzagen, während wir auf dieser Insel inmitten der Ruinen und Relikte einer vor Jahrtausenden vergangenen Zivilisation ausharren?« Wellington bedachte die Runde mit dem Lächeln eines Vaters, der seine Nachkommenschaft ob ihres Mangels an Vertrauen sanft zu tadeln beabsichtigte. »Ich kann Sie alle beruhigen. Die Zeit des Redens ist vorüber. Jetzt werden unsere Taten für uns sprechen. Deshalb habe ich Sie alle zu mir gerufen. Für das, was ich zu tun gedenke, benötige ich Ihre Hilfe, die von Ihnen allen. Wir werden die Wahre Quelle gemeinsam eindämmen, hier und jetzt.«
Leises Gemurmel setzte ein, während sich einige der Magier zweifelnde Blicke zuwarfen. Sie hatten an Wellington geglaubt, als er ihnen in London von seinen Plänen erzählt hatte. Aber unmittelbar neben der tosenden Quelle stehend kam ihnen das Unterfangen offenkundig nicht mehr so machbar vor, sondern vielmehr ausgesprochen gewagt. »Mein Lord, wie sollen wir diesen gewaltigen Strom an Magie eindämmen?«, kleidete Hollingworth diese Unsicherheit in Worte.
»Genau so wie bei jeder anderen Magiequelle auch«, erwiderte Wellington. »Wir werden eine Kuppel aus Fäden und Stein darüber errichten.« Er deutete auf die Berge von Steinquadern, die von den Quellhütern zur Spitze der Pyramide geschleppt worden waren. »Doch darüber müssen Sie sich gar keine Gedanken machen. Ich werde das Ritual durchführen und Sie alle anleiten. Sie müssen mir allein Ihre Gabe zum Fadenweben zur Verfügung stellen und mir erlauben, in Ihren Geist einzudringen, um Ihnen allen gleichzeitig bei dem zu helfen, was wir vorhaben.«
»Beginnen wir!«, rief Lord Bowminster von patriotischem Eifer erfüllt.
»Beginnen wir«, bestätigte Wellington mit einem Nicken. Er gebot den Anwesenden, sich in einem weiten Kreis um die Wahre Quelle anzuordnen. Hyde-White, Tisiphone und Polidori ließ er als machtvolle Stützpfeiler seines Fadenbauwerks an den drei Eckpunkten zu seiner Linken, seiner Rechten und ihm gegenüber Aufstellung beziehen. Anschließend richtete er seine Augen auf die Wahre Quelle und holte tief Atem. Dutzende Male hatte er sein Vorgehen auf dem Papier
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