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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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ein mittelalterlicher Ritter seine Lanze und hielt ihn mit beiden Händen fest. Das flache Ruderblatt deutete direkt auf den Stiel der Pflanze. »Jetzt habe ich dich«, rief er triumphierend, dann rammte er die schmale vordere Kante des Ruderblatts waagerecht in den oberschenkeldicken Pflanzenfuß. Es gab ein fleischig schmatzendes Geräusch, als sich die provisorische Waffe tief ins Mark des Scheusals grub.
    Die Pflanze zuckte zusammen, als habe sie der Blitz getroffen. Alle Halme lösten sich von Westinghouse und schnellten Cutler entgegen. Sie schlugen ihm den Zylinder vom Kopf und legten sich um seinen Schädel, seine Arme und den Hals. »Stirb endlich«, keuchte Cutler, zog das Ruderblatt zurück und hieb erneut auf den Stiel ein. Und dann wieder. Und wieder. Doch erst als ihm Westinghouse zu Hilfe kam, eine weit ausholende Bewegung vollführte und anschließend ruckartig seine Arme am Körper vorbei nach hinten riss, gelang es ihm, den Blütenkelch vom Stiel abzureißen. Weißlicher Pflanzensaft spritzte aus der Wunde, und sofort erlahmte der Widerstand der Pflanze. Das Schimmern der Blütenblätter verblasste, und die Halme fielen von Cutler ab.
    Dieser ließ den Riemen los, riss sich die verbliebenen Pflanzenfäden von den Armen und trat danach einen Schritt zurück. »Bei allen Heiligen, das war knapp«, schnaufte er.
    Westinghouse senkte die Arme und sackte ein wenig in sich zusammen. »Da muss ich Ihnen recht geben.« Er blickte zu Alice hinüber. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Miss?«
    Alice nickte stumm, zu erschüttert von den sich überschlagenden Geschehnissen der letzten paar Minuten, um auch nur ein Wort hervorzubringen.
    »Und wie geht es dem jungen Mann?«, fragte Cutler, während er seinen Zylinder aufhob und abwischte.
    »Ich … ich weiß es nicht«, stammelte Alice.
    »Es tut weh«, murmelte James, die Lider noch immer zusammengepresst. »Und es brennt in den Augen.«
    Westinghouse kam zu ihm hinüber und ging mit leisem Ächzen in die Hocke. Mit geübten Handbewegungen fühlte er nach James’ Herzschlag und begutachtete dessen gerötetes Gesicht. Er nahm etwas Pflanzensaft auf den behandschuhten Finger, roch daran und zerrieb ihn. »Leichte Säureverbrennungen«, stellte er fest. »Unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich. Dennoch sollten wir rasch zum Teich hinunterlaufen und diesen Saft abwaschen.«
    Die beiden Männer nahmen James in die Mitte und führten ihn durch das Gebüsch die wenigen Schritte bis zum Teichufer hinab. An einem kleinen Holzpier waren mehrere Ruderboote vertäut. Einem fehlte ein Riemen.
    Während Alice zuschaute, halfen sie dem Jungen, sich zu säubern. Anschließend klopfte Westinghouse ihm auf die Schulter. »Heute ist Ihr Glückstag, junger Freund. Das hätte unschön für Sie enden können, wenn wir nicht eingegriffen hätten.«
    »Ja, Sir«, sagte James. »Vielen Dank, Sir.« Er blickte mit geröteten Augen angstvoll zu dem Gebüsch hinüber, hinter dem die niedergestreckte Pflanze lag. »Was um Himmels willen war das?«
    »Nun, es sah mir wie eine Abart der Pinguicula vulgaris aus«, erwiderte Westinghouse.
    »Der was?«
    »Blaues Fettkraut«, übersetzte der Doktor. »Eine fleischfressende Pflanze.«
    »Aber wie kann es denn mitten in einem Park in London eine menschenfressende Pflanze geben?«, entfuhr es Alice. »Das ist doch nicht möglich.«
    Der Doktor warf Cutler einen bedeutsamen Blick zu. Dieser verzog das Gesicht. »Sie haben recht, Miss, eigentlich ist das nicht möglich. Aber vor einigen Tagen kam es zu einem Zwischenfall in den Laboren der … äh … Royal Society. Einige ungewöhnliche … äh … Sporen konnten entkommen. Doch machen Sie sich keine Gedanken, Miss. Wir kümmern uns um das Problem. Deshalb waren wir hier im Park.« Er hüstelte. »Am besten gehen Sie jetzt beide nach Hause. Wir rufen Ihnen eine Kutsche. Zu Hause sollten Sie sich und ihre Kleidung noch einmal gründlich waschen. Und dann schlafen Sie eine Nacht gut durch, und morgen ist alles wieder gut.«
    Alice blinzelte ungläubig. Sie öffnete den Mund, um ihren beiden seltsamen Helfern zu sagen, dass morgen sicher nicht alles wieder gut sein würde. So etwas wie das just Erlebte konnte man doch nicht einfach von sich abwaschen wie den weißlichen Saft auf James’ Gesicht. Irgendetwas in den angespannten Mienen der Männer sagte ihr aber, dass diese das selbst wussten. Sie waren beunruhigt, auch wenn sie das nicht zeigen wollten. Es war, als ob ein unsichtbares Gewicht auf

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