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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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unabgesprochen vom ersten Moment an gesiezt, ein Umstand, der ihrer Beziehung in Alices Augen etwas aufregend Erwachsenes verlieh.
    Der Junge hob den Kopf, und ein breites Lächeln hellte seine Züge auf. »Guten Tag, Miss Alice. Bitte verzeihen Sie meine Verspätung. Ich musste erst noch meinen kleinen Bruder Richard abhängen. Er hat die ärgerliche Angewohnheit, mir nachzuspionieren. Vermutlich haben ihn unsere Tanten, diese verknöcherten Schachteln, dazu ermuntert.«
    »James, wie sprechen Sie denn von Ihrer Familie?«, sagte Alice mit einer Mischung aus Entrüstung und Belustigung.
    Er machte eine abwehrende Geste. »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber die beiden alten Damen waren noch nie mit dem einverstanden, was ich treibe. Sie haben einfach kein Verständnis für die Bedürfnisse junger Menschen.« James ergriff ihre Hand und drückte sie kurz in einem Ausdruck von Zuneigung. »Aber lassen Sie uns nicht von solchen Dingen sprechen. Kommen Sie lieber mit. Ich muss Ihnen etwas wirklich Aufsehenerregendes zeigen.«
    »Was wollen wir denn heute unternehmen, James?«, fragte Alice, die sich noch ein wenig dagegen sträubte, aus dem Schutz des Pavillons wieder hinaus in den Regen gezogen zu werden. »Es ist so ein entsetzliches Wetter … «
    »Ich möchte mit Ihnen Madame Tussaud’s besuchen, wenn es Ihnen recht wäre«, erklärte James mit leuchtenden Augen. »Ich war noch nie dort, und heute Abend hat es geöffnet. Man feiert das Aufstellen einiger neuer Wachsfiguren. Der Eintritt ist sogar frei. Denken Sie nur: Wir werden Shakespeare sehen und Napoleon, und sie haben dort auch eine Kammer des Schreckens!«
    Alice versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen. Die Aussicht, einen Abend mit diesen abscheulichen Kunstfiguren zu verbringen, versetzte sie nicht gerade in Hochstimmung. Zugegeben, die wundervollen Kleider all der königlichen Hoheiten, die dort zur Schau gestellt wurden, hätte sie schon gerne mal gesehen. Doch bei der Vorstellung, unter diesen lebensecht nachgebildeten Puppen mit ihrer wächsernen Haut und den starren Augen zu wandeln, gruselte es sie nicht wenig – insbesondere da James offenbar andere Bereiche des Museums anstrebte als sie.
    Ein Teil dieses Unwillens musste sich ungeachtet ihrer Anstrengungen, eine gleichmütige Miene zu bewahren, auf ihren Zügen widergespiegelt haben, denn James hielt inne. »Sie wirken nicht besonders erbaut. Mögen Sie Madame Tussaud’s nicht?«
    »Ach, das möchte ich gar nicht sagen«, wiegelte Alice ab. »Es ist nur so weit weg von hier. Man muss halb London durchqueren, um dorthin zu gelangen.«
    »Nun ja, es liegt südlich des Regent’s Parks, und das sind schon ein paar Meilen«, gab James ihr recht. »Aber wir waren doch auch schon dort und im Hyde Park zum Flanieren. Und wir müssen ja nicht laufen. Ich habe Geld für eine Kutsche.« Er blickte sie auffordernd an. »Kommen Sie, das wird ein großer Spaß. Ich verspreche auch, Sie nicht zum Besuch des Gruselkabinetts zu nötigen, wenn Ihnen nicht der Sinn danach steht. Dann schauen wir uns stattdessen eben all die Prinzessinnen und Herzöge an, die dort ausgestellt sind.«
    »Also gut«, gab Alice nach. Sie wollte keine Spielverderberin sein. Und schließlich musste sie sich auch eingestehen, dass jeder Ausflug mit James bislang ein wundervolles Abenteuer gewesen war. Dieser hier würde keine Ausnahme darstellen.
    »Prächtig«, rief James. Dann beugte er sich etwas näher und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Tonfall. »Doch zunächst muss ich Ihnen etwas zeigen, das fast noch aufregender ist als die neuen Figuren von Madame Tussaud’s . Ich habe es vorhin erst entdeckt – der zweite Grund, weshalb ich mich verspätet habe. Kommen Sie. Es liegt auf dem Weg .«
    Sie traten hinaus in den Nieselregen und liefen über den Vorplatz hinüber zu den Platanen, die den Parkweg überschatteten und vor dem vom Himmel kommenden Nass schützten.
    »Wenn wir zur Themse wollen, sind wir aber in die falsche Richtung unterwegs«, merkte Alice an. »Wir müssen nach Norden, nicht nach Süden.«
    »Das stimmt«, erwiderte James. »Aber ich kam vorhin mit der Stadtbahn und bin an der South Bermondsey Station ausgestiegen. Daher bin ich von der anderen Seite in den Park gelangt. Keine Sorge. Es ist kein großer Umweg. Wir sind gleich da. Es war dort vorne, unweit des Teichs.«
    Sie überquerten die Kutschenstraße, die den Southwark Park in eine Nord- und eine Südhälfte teilte, und gleich darauf traten

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