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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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glich, was die weißen Missionare das Paradies nennen. Alle waren jung und gesund. Die Toten und die Lebenden jagten in Einigkeit und Freiheit Seite an Seite. Der weiße und der rote Mann hatten nach all den Jahren der Kriege endlich Frieden geschlossen. Und ich sah Indianer – Paiute, Lakota, andere Stämme – , die tanzten … die tanzten und den Wandel priesen.«
    Die Kraft der Vision hatte ihn innerlich schwindeln lassen. Sie war ganz anders gewesen als die Visionen, die er als Sohn und Erbe eines Medizinmannes der Paiute bereits seit früher Jugend in Trance und unter dem Einfluss bewusstseinserweiternden Räucherwerks empfangen hatte. Tagelang hatte Wovoka über die Bilder und die körperlichen Empfindungen, die ihm währenddessen zuteil geworden waren, nachgedacht. Dabei machte er eine unglaubliche Entdeckung: Seine Sicht auf die Welt hatte sich in jener Nacht verändert, genau wie seine Rolle in dieser Welt. Auf einmal gelang es seinem Verstand, das Reich der Lebenden zu verlassen und in das der Naturkräfte einzutauchen. Und während sein Geist jene Welt schaute, vermochte er sie zu verändern, ihre glitzernden Pfade zu weben, wie eine Frau einen Teppich webt. Kehrte er anschließend in die Wirklichkeit zurück, war diese plötzlich nicht mehr wie vorher.
    Und was geschah dann? , fragte Haba.
    Wovoka richtete seinen Blick auf den Präriehasen, der mit aufgestellten Ohren neben ihm hockte und ihn aus erstaunlich klugen Augen anschaute. »Ich begriff, dass ich ein anderer Mann geworden war. Die Vision hatte mich verändert. Meine Seele war größer geworden. Ich besaß auf einmal gewisse Gaben. Ich konnte Dinge bewegen, ohne sie zu berühren, die Gedanken von Männern hören, die mir gegenübersaßen, ja ich vermochte sogar die Wolken vom Himmel zu vertreiben.« Er schloss die Augen. Nun kam der beschämende Teil seiner Geschichte.
    »Diese plötzliche Macht ließ mich eitel werden. Ich hielt mich für einen Auserwählten, für einen Propheten meines Volkes. Lange dachte ich nach, was getan werden müsste, um das Paradies, das mir gezeigt worden war, Wirklichkeit werden zu lassen. Wieder und wieder erinnerte ich mich an die Vision der Tanzenden, und ich glaubte, eine Antwort gefunden zu haben. Und so begann ich die Lehre vom Tanz zu predigen, der später Geistertanz genannt werden sollte. Ich rief alle Stämme zu mir, und um sie von meiner Vision zu überzeugen, zeigte ich ihnen, welche Gaben mir geschenkt worden waren. Dann sprach ich vom Frieden, von der Erneuerung und vom Tanz. Ich glaubte wirklich, etwas verändern und all das Furchtbare, das mit dem Einfall der Weißen in unser Land geschehen war, beenden zu können. Leider erkannte ich viel zu spät, wie viel Zorn und Angst in den Menschen stecken. Der Tanz wurde für jene, denen Rache wichtiger war als Versöhnung, zu einem Kriegstanz. Statt meine Botschaft des Friedens zu hören, fürchteten die Weißen einen letzten großen Aufstand des roten Mannes. Schließlich kam es zu Toten, viel zu vielen Toten.« Wovoka verstummte unter der Last der Erinnerung. Als ihn die Nachricht vom Massaker am Wounded Knee erreicht hatte, war es ihm vorgekommen, als breche seine Welt zusammen. Hunderte getötet, Männer, Frauen und Kinder, niedergestreckt von Soldaten, die so viel Angst vor allem Fremden hatten, dass sie auf jede falsche Regung hin die Waffen sprechen ließen. Das hatte Wovoka nie gewollt. Sein Traum war zu einem Albtraum geworden.
    Und seitdem traust du deiner Gabe, die Zukunft zu sehen, nicht mehr?
    Wovoka öffnete die Augen wieder. Er sagte nichts, doch sein Schweigen schien Haba Antwort genug zu sein.
    Du urteilst zu hart über dich , meinte der Präriehase. Vor acht Jahren wusstest du noch nicht, was du heute über die Magie weißt. Und am Scheitern deiner Bemühungen um Frieden trägst du noch weniger Schuld. Deine Absichten waren gut, ist nicht das das Wichtigste?
    »So leicht wie du kann ich mir nicht vergeben. Ich habe die Vision falsch gedeutet. Ich habe nur das gesehen, was ich sehen wollte.«
    Was hast du diesmal gesehen?
    »Ich sah mich an der Spitze eines Kampfes um die Wahre Quelle der Magie. Doch ich weiß nicht, wie der Kampf ausgeht. Schmerz und verzweifeltes Erkennen lagen auf meinem Gesicht. Könnte das heißen, dass mein Eingreifen das Blatt zum Schlechten wendet?«
    Haba hob eine Hinterpfote und kratzte sich damit hinterm Ohr. Wie sollte die Geschichte eigentlich enden? , wollte der Hase wissen.
    Wovoka dachte kurz nach. Er hatte

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