Magierdämmerung 03 - In den Abgrund
Gefahren der Magie beschützen.«
»Sie meinen sicherlich: vor den Gefahren durch Magieanwender«, verbesserte sie Holmes. »Der Magie dürfte ihr technisches Wunderwerk ziemlich gleichgültig sein.«
Diodato neigte bestätigend den Kopf. »Zugegebenermaßen zählt dazu auch, dem Wahn verfallene Männer wie Victor Mordred Wellington zu verfolgen und unschädlich zu machen.«
Randolphs Begleiter lachte kurz, bevor er einen weiteren Schluck Wein zu sich nahm. »Ein Jammer, dass Sie seinen Wahn nicht schon früher erkannt haben.«
»Das bedaure ich auch«, gab die Magierin zu. »Es hätte uns allen viel Ärger erspart.«
Während des weiteren Essens unterhielten sie sich über unverfänglichere Themen. Kaplan Tremore zeigte sich erstaunlich interessiert an den in London geplanten Festivitäten anlässlich des diamantenen Kronjubiläums von Queen Victoria. Und von Stein versuchte erfolglos, die Tischgesellschaft mit einer Analyse des Kampfes zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich zu unterhalten.
Randolph wunderte sich, dass weder Diodato noch der Deutsche versuchten, das Gespräch auf die Vorgänge zu lenken, die in den Hallen des Ordens des Silbernen Kreises zum Umsturz geführt hatten. Zweimal wechselte er unauffällig in die Wahrsicht, um herauszufinden, ob die Magierin oder ihr schweigsamer Begleiter Scarcatore Anstalten machten, in Holmes’ oder seinem Kopf herumzustöbern. Doch allem Anschein nach war das nicht der Fall.
Das wiederum legte den Schluss nahe, dass sich ihre Gastgeber bereits aus anderer Quelle informiert hatten – denn dass die Spaltung der größten Magiervereinigung Großbritanniens den Vatikan nicht interessierte, konnte Randolph sich kaum vorstellen. Sie müssen einen Spion in unseren Reihen gehabt haben – oder immer noch haben, kam es ihm in den Sinn. Das war keineswegs ausgeschlossen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass eine ausländische Macht die Reihen des Ordens unterwanderte, genau wie der Silberne Kreis die kontinentaleuropäischen Magierzirkel unter Beobachtung hielt. Randolph fragte sich, wer es wohl sein könnte, und ob der- oder diejenige jetzt dem Usurpator Wellington die vorgetäuschte Treue hielt oder sich bei Jonathan, Cutler und den McKellens irgendwo in London befand.
Diese Frage ließ die Gedanken des Kutschers in eine andere Richtung driften. Seit Holmes und er gemeinsam mit Grigori und Wilkins von Wellington und seinen Schergen bei der nur halbwegs geglückten Befreiungsaktion der Anhänger Dunholms in der Unteren Guildhall erwischt worden waren, hatten sie jeden Kontakt zu Jonathan und den anderen verloren. Watson hatte ihnen zwar nach ihrem plötzlichen Auftauchen auf der Nautilus berichtet, dass der junge Reporter und die anderen erfolgreich entkommen seien. Aber wie ihre Lage im Augenblick aussah … Wer vermochte das schon zu sagen? Ich hoffe, es geht ihnen gut , dachte Randolph. Und ich hoffe, dieser McKellen war den ganzen Ärger wert, den wir wegen ihm hatten.
Der Kutscher merkte, dass Diodato und die übrigen ihn anschauten. Anscheinend war er dermaßen in Gedanken versunken gewesen, dass er eine an ihn gerichtete Frage überhört hatte. Rasch schluckte er das Stück Fleisch, auf dem er gerade herumkaute, hinunter. »Verzeihung, was sagten Sie?«
»Wir sprachen gerade darüber, ob die Magie eher ein Schaden oder ein Nutzen für die Welt ist«, erklärte Diodato ihm. »Da Sie von uns allen offensichtlich am stärksten von ihr gezeichnet wurden, wäre ich an Ihrer Ansicht sehr interessiert.«
Randolph blickte auf die Hufe an seinen Beinen hinab, die an die einer Ziege erinnerten. Seit seiner Flucht aus der Unteren Guildhall wurden sie nicht mehr durch klobiges Schuhwerk verborgen. »Ich denke nicht viel darüber nach«, gestand er. »Es ist, wie es ist. Wenn mich manche Menschen deswegen für ein Ungeheuer halten, kann ich auch nichts daran ändern.«
»Fabelwesen«, verbesserte Holmes und klopfte dem Kutscher freundschaftlich auf die Schulter. Er hatte im Laufe des Mahls bereits ordentlich Wein getrunken und war in entsprechend guter Stimmung. »Niemand würde Sie für ein Ungeheuer halten, Brown; höchstens für ein Fabelwesen. Und seien Sie dankbar, dass Sie einem Satyr ähneln und nicht einem Minotaurus. Mit einem Stierschädel hätten Sie deutlich mehr Probleme – auch bei den Frauen. Zwar sagt man Minotauren eine erstaunliche Manneskraft nach, aber welche Frau möchte schon morgens neben einem Burschen aufwachen, der sie an den
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