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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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oder auf seinem Bett lag, das an ein absonderliches, riesiges Pilzgewächs erinnerte, nagte ein Gefühl an ihm, als würden die Geister der Verstorbenen ihn beobachten. Daher hatte er sich entschlossen, ein Domizil an Land zu beziehen, kaum dass sie die Insel erreicht hatten.
    Seine Wahl war auf ein tempelartiges Bauwerk unweit ihres Anlegeplatzes gefallen, das einen großen Andachtsraum im vorderen Bereich und einige kleinere Gemächer für die Priester im hinteren aufwies. Mithilfe seiner neu gewonnenen Kräfte hatte Wellington das Gebäude so weit hergerichtet, dass es nicht mehr ganz wie eine vom Meer und dem Zahn der Zeit angefressene Ruine wirkte. Danach hatte er all seine Habe aus der Nautilus hierherbringen lassen. Bis ihr Werk an diesem Ort vollendet war, würde er im Tempel residieren. Es störte ihn nicht, dass die anderen deshalb glauben mochten, er fühle sich zu Höherem berufen. Ein bisschen Nimbus trug nur dazu bei, sich die Loyalität seiner Untergebenen zu sichern.
    Wie die jener vier Magier, die in diesem Augenblick das Besprechungszimmer betraten, das Wellington hinter der Andachtshalle eingerichtet hatte. Ein Mann mit einem stärkeren Geltungsbewusstsein hätte sie vielleicht wie ein ägyptischer Gottkaiser vor dem Altar thronend empfangen. Aber das hätte Wellington doch als etwas albern empfunden, ganz gleich, welche Rolle er jetzt im Orden des Silbernen Kreises innehatte.
    »Lordmagier Wellington«, begrüßte ihn der Anführer des Quartetts, ein beleibter Mittvierziger mit gerötetem Gesicht und fusseligem Backenbart. »Sie haben uns rufen lassen?«
    »So ist es, Lord Bowminster«, erwiderte Wellington. »Bitte treten Sie alle ein.« Er nickte der mädchenhaften Miss Hollingworth zu, deren aschblondes Haar sorgsam gescheitelt war, um ihr drittes Auge auf der Stirn nicht zu behindern, und auch dem schmalen, hochgewachsenen Mister Hawkridge, dessen stechende Augen und hakenförmige Nase gut zu seinem Namen passten. Als er den vierten Mann richtig erkannte, hoben sich seine Augenbrauen. »Doktor Polidori, seit wann sind Sie denn wieder zurückgekehrt? Und wann haben Sie sich unserer Sache angeschlossen?«
    Der gepflegt wirkende Mann mit den markanten Gesichtszügen, dessen dunkle Augen und dichtes, silbergraues Haar noch immer das italienische Erbe seiner Väter erkennen ließen, lächelte, als er Wellington in vertrauter Geste die Hand schüttelte. »Freut mich, Sie wiederzusehen, Victor. Ich traf vor einigen Tagen in London ein. Es herrschte gerade große Aufregung in der Unteren Guildhall, und ich hatte mich kaum über die Ereignisse informiert, die Sie ins Rollen gebracht haben, als wir auch schon gezwungen waren, das Ordenshauptquartier aufzugeben. Da mich keine sonstigen Pflichten in London banden, beschloss ich kurzerhand, mich Ihnen anzuschließen. Leider war es mir während der Seereise nicht vergönnt, Sie aufzusuchen. Ihr Schüler Hyde-White kann sehr besitzergreifend sein. Doch nun bin ich hier und gespannt auf das, was Sie vorhaben.«
    »Das nenne ich eine glückliche Fügung«, sagte Wellington. »Wir haben Sie in den letzten Jahren vermisst.« Das stimmte allerdings nur halb. Vermutlich waren einige Ordensmitglieder mehr als dankbar gewesen, als der uneheliche und von seiner Mutter heimlich zur Welt gebrachte Sohn John William Polidoris vor sechs Jahren den Silbernen Kreis verlassen hatte. Seine Neigung zu fragwürdigen medizinisch-magischen Experimenten hatte ihm den Unwillen Lord Dunholms und einiger anderer hochrangiger Ordensmitglieder eingebracht. Wellington dagegen hatte Polidoris Werk stets mit größtem Interesse verfolgt. Nicht zuletzt beruhte auch das Ritual, das zu Mary-Ann McGowans wundersamer Verjüngung geführt hatte, auf Ideen, die Polidori schon vor fast zwei Jahrzehnten entwickelt hatte. Einen Mitstreiter wie ihn, einen Mann, der Wellington nicht nur folgte, sondern wirklich verstand, was er zu tun beabsichtigte, konnte er jetzt gut gebrauchen.
    Wellington hob in einer Geste, die alle Anwesenden einschloss, die Arme. »Vielen Dank, dass Sie sich hier eingefunden haben. Es gilt, wichtige Dinge zu besprechen, Dinge, an denen Sie maßgeblich Teil haben werden, sofern Sie dazu bereit sind. Schwere und harte Entscheidungen liegen vor uns, doch wenn wir gewillt sind, das Wohl weniger unter das Wohl vieler unterzuordnen, werden wir am Ende mehr gewonnen haben, als Sie es sich in Ihren kühnsten Träumen vorstellen mögen.« Der Lordmagier senkte die Arme und stützte

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