Magierschwur (Mithgar 06)
Greisenbaum, waren hier jedoch weit zahlreicher. Unter ihren hohen Ästen und Zweigen herrschte am Fuß ihrer mächtigen Stämme ein mildes Zwielicht, und sie ragten wie ihr einsamer Verwandter mehr als hundert Meter in den Himmel hinauf.
In den oberen Zweigen flogen silberfarbene Vögel umher, die Silberlerchen oder Vani+lerihha ,wie die Elfen sie nannten. Sie lebten am Tag in Mithgar und des Nachts in Adonar. Ihr Gesang und ihr Flug erlaubten ihnen auf wundersame Weise den Übergang in die Zwischenwelt. Von diesen silbernen Vögel hatte dieser Wald seinen Namen: Lerchenwald.
»Ja, dieser Wald wurde von Vanidar Silberblatt vor langer Zeit gepflanzt«, beantwortete Galarun Beaus Frage beim Abendessen. Er betrachtete die dunklen Baumgiganten. »Sie erinnern uns an die Heimat«, fuhr er schließlich fort.
»Sie wurden als Setzlinge gepflanzt?« Beau sah sich staunend um. »Es muss ja ewig gedauert haben, bis sie so groß wurden, wenigstens Jahrhunderte!«
»Jahrtausende«, verbesserte ihn Galarun.
»Meiner Treu!«
Der Elf lächelte. »Wir hatten Zeit, Kleiner. Wir hatten genug Zeit.«
Tipperton sah den Elf von der Seite an. »Ihr sagt, der Wald erinnert Euch an zu Hause?«
Galarun nickte, und Tipperton sprach weiter. »Vermisst Ihr die Hohe Welt?«
Der Alor strich sich über das Kinn. »Manchmal. Aber wir können einfach zurückkehren und alte Verbindungen neu knüpfen.« Er sah Phais an, die auf der anderen Seite des Feuers saß und bestätigend nickte. »Seht Ihr, Herr Tipperton …«, fuhr der Elf dann fort.
»Nennt mich nicht Herr«, unterbrach ihn Tipperton. »Tip oder Tipperton genügt vollkommen. Dasselbe gilt für Beau.«
Galarun nickte lächelnd. »Wohlan, Tip.«
»Ich habe Euch unterbrochen, verzeiht.«
Galarun hob die Hand. »Was ich sagen wollte, ist, dass hier in Darda Galion ein Übergang nach Adonar existiert, wo wir im Zwielicht hinübergehen und im Morgengrauen zurückkehren.«
Beau runzelte nachdenklich die Stirn.
»Habt Ihr eine Frage, Beau?«, fragte der Elf ihn.
Beau holte tief Luft. »Ich habe mich gerade gefragt, was Ihr hier tut. Ich meine, weshalb seidIhr überhaupt nach Mithgar gekommen?«
Galarun lachte. »Ich versichere Euch, dass wir keine ungebetenen Eindringlinge sind, obwohl so mancher uns als das bezeichnet. Einigen von ihnen seid Ihr gestern begegnet.«
Beau errötete verlegen. »Das habe ich auch nicht sagen wollen. Natürlich seid Ihr keine Eindringlinge. Ich bin einfach nur neugierig, warum jemand seine Welt verlassen und in einer anderen leben will. Ich habe die Waldsenken nur verlassen, weil ich besondere Kräuter und andere Dinge brauchte, Ihr jedoch …«
»Ah, Beau, warum sonst würde jemand sein Heim verlassen, außer, weil er etwas anderes sucht? Vielleicht das Verlangen des Herzens, Abenteuer, Frieden, Liebe, Aufregung, Wissen oder Ähnliches.«
»Aber warum hier? Warum in Mithgar, nicht in Adonar?«
Diesmal lachte Galarun schallend. Er warf den Kopf zurück und sein langes Haar glänzte im Schein des Feuers. »Mein Freund, Adonar ist gezähmt, friedvoll, kultiviert, schlicht … etwas langweilig.« Er breitete die Arme aus, als wollte er die ganze Welt darin einschließen. »Mithgar dagegen … Mithgar ist noch wild, ungestüm, turbulent, aufregend. Wir kommen her, um uns … lebendig zu fühlen.«
Beau schüttelte den Kopf. »Puh! Im Moment würde ich das langweilige Leben immer vorziehen, angesichts von Modrus Kriegshorden und seinem Gezücht, sowie den Kistani und Hyrianern und Chabbanern, die Amok laufen.«
Galaruns Lächeln erlosch. »In dem Punkt, Beau, habt Ihr recht, und ich würde Euch sofort in dieser Idylle Gesellschaft leisten.«
Als der Morgen anbrach, kehrten auch die Silberlerchen zurück. »Hm«, meinte Tipperton. »Selbst diese Vögel wissen, wie man in die Zwischenwelt gelangt. So schwer kann das doch wirklich nicht sein!«
»Weißt du, Wurro«, gab Beau zurück, »wenn das alles hier vorbei ist, ich meine der Krieg, dann sollten wir lernen, wie es geht. Nur um es selbst einmal auszuprobieren.«
Tipperton schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Beau. Ich glaube, mein Vater hatte ganz recht. Wurrlinge sollten da bleiben, wo sie sind, und damit basta.« Er kratzte sich unter seinem Wams. »Außerdem brauche ich dringend ein Bad.«
Tipperton fragte Hadron, einen der Lian, wo sie vielleicht etwas Seife herbekommen könnten. »Wir wollen im Nith baden«, erklärte er. »Es ist schon eine Weile her, seit wir sauber
Weitere Kostenlose Bücher