Magische Insel
Stallbursche.
»Guten Tag«, erwiderte ich.
»Das ist ein Pferd?« fragte Yelena.
»Das ist Gairloch! Du glaubst doch nicht, dass ich so ein Ungeheuer wie ihr reite.«
Sie lächelte. Ich wäre vor Staunen fast aus dem Sattel gefallen. Wir ritten los, durch die Tore nach Kyphrien.
Ein leichter Regen fiel jetzt. Trotzdem wirkte die Hauptstadt hell. Die weiß getünchten Häuser, die roten Ziegeldächer – Kalksteinplatten oder Marmor pflasterten die Straßen.
Die Menschen unterhielten sich lebhaft; mir kam es so vor, als lebten hier Hunderte von Shervans.
»… das beste Brot in Kyphros, unter der ausschließlichen Schirmherrschaft des Autarchen …«
»… du hättest zu Fuß den Fluss durchqueren können, soviel hat er getrunken. Noch nie habe ich ein Tier soviel trinken sehen, und außerdem …«
»Deine Wahrsagerei ist keinen Pfennig wert! Keiner wird auch nur einen Heller bezahlen, nur um zu erfahren, was ihm in der Zukunft widerfahren wird.«
»Hezira, habe ich gesagt, es ist nichts dergleichen. Nein, nichts dergleichen, Hezira – das habe ich zu ihr gesagt, aber sie hat natürlich nicht zugehört. Warum sollte sie auch, sie mit ihrem schönen Haus und den teuren Seidenkleidern …«
Ich lenkte Gairloch näher zu Yelena. »Ist es hier immer so laut?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Gewöhnlich ist es lauter. Es ist noch früh am Tag. Der richtige Lärm beginnt erst später.«
»Sieh doch, das Bergpferd! Sieh dir das Bergpferd an, Berna! Es muss eines aus dem Norden sein. Es ist so zottelig …«
Außerhalb der von Mauern umgebenen Residenz des Autarchen – es war kein richtiges Schloss, auch kein Palast – und der sich anschließenden bewachten Zone war Kyphrien eine offene Stadt ohne Mauern; die Häuser und Geschäfte standen immer weiter auseinander, je weiter wir nach Nordwesten zogen in Richtung der Westhörner. Es gab keinen Punkt, an dem Kyphrien endete und die ländliche Gegend begann, doch wir ritten schon auf einer sich sanft durch die Landschaft windenden Straße, noch bevor der Vormittag richtig begann.
Der Nieselregen hatte den Straßenstaub aufgeweicht, aber noch nicht in Schlamm verwandelt. Gairloch hielt das Tempo locker mit, das Yelenas brauner Wallach vorgab, und wir ritten schweigend durch den Morgen, was ich gut fand, besonders nach dem Tumult in Kyphrien.
Kyphrien war eine Stadt ohne Mauer. Wir ritten schweigend dahin. Dann wurden die Häuser spärlicher, und die Gegend wurde ländlich.
Mir gefiel das Land mit den sanften Hügeln, auch wenn es nicht so üppig grün wie Gallos oder Recluce war. Einige Plätze an klaren Bächen wären günstig gewesen, um dort meine eigene Schreinerwerkstatt zu errichten.
Ich schüttelte den Kopf. Immer noch Pläne, ein Schreiner zu sein? Onkel Sardit hätte sicherlich gelacht. Doch alle Pläne, als Schreiner zu leben, mussten warten. Zuerst musste ich mich mit Antonin befassen …
Ich dachte zurück an meine letzte Begegnung mit einem Weißen Magier, als ich mit meinem Stab gekämpft hatte, um meine Verteidigung und Kräfte zu kontrollieren. Was hatte das bedeutet?
Im Buch hatte etwas dazu gestanden. Ich konnte mich nicht erinnern, wollte es aber sobald wie möglich nachlesen.
Am Mittag kamen wir an einen Bach, doch wir überquerten ihn nicht.
»Das ist kein richtiges Zaumzeug«, bemerkte der junge Mann, der hinter mir geritten war. »Wie bändigst du ihn denn, wenn er einmal durchgeht?«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht.« Ich holte ein Stück harten weißen Käse heraus und bot ihm ein Stück an.
Yelena ließ ihr Pferd trinken. Ich nahm an, dass auch Gairloch durstig war, und schlang die Zügel um den Sattelknauf, tätschelte seine Flanke und sah ihm zu, wie er in das knöcheltiefe Wasser stieg.
Der Soldat hatte den Käse genommen, doch er wandte den Blick rasch ab, nachdem Gairloch gegangen war.
Meine andere Begleiterin war eine Frau. Wahrscheinlich so alt wie ich, mit kurzem hellbraunen Haar, grünen Augen und verblüffend dunkler Haut. Eine Narbe zog sich über ihre rechte Wange. Sie trat näher.
»Käse?«
»Danke.« Ihre Stimme klang ernst, zugleich aber auch fröhlich. »Bist du … der … Ordnungs-Meister?«
Ich grinste. Warum nicht? »Ich bin Lerris, komme aus Recluce und bin ein alter Freund der Sub-Kommandantin.«
Sie zog die Brauen hoch. Ich konnte mir vorstellen, welche Geschichten bereits über mich bei der Garde kursierten.
»Sie ist nicht nur eine Meisterin der Klinge«, fügte ich hinzu, »sie
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