Magische Insel
Platz. Ich glaube, wir sollten anfangen.«
Ehe wir die schweren Holzstühle hervorgezogen hatten, erschien Tamra. Ihr Haar war lockig und heller als zuvor. Vielleicht hatte sie es gewaschen und eingerollt, aber es war so trocken, als hätte sie in der Sonne gesessen. Sie hatte die Locken mit zwei dunklen Kämmen zurückgesteckt.
Immer noch trug sie die dunkelgraue Hose und die gleichfarbige Tunika, doch ein blaues Halstuch brachte etwas Farbe in das Einerlei. Alles in allem sah sie bildschön aus.
Talryn nickte zu dem leeren Platz zu seiner Rechten.
Tamra öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder, als Talryn ihr den Stuhl anbot. Ihre eisblauen Augen blitzten wie Gletschersonne.
Talryn bewegte den Stuhl so mühelos, dass ich es ihm gleichtun und meinen mit einer Hand verschieben wollte. Er bewegte sich nicht. Schnell packte ich die geschwungenen Armlehnen und zog ihn vor. Er war aus schwarzer Eiche gearbeitet. Die Lehne war geschwungen, doch ohne Spitze. Die vier Speichen der Rückenlehne waren doppelt so dick wie bei Haushaltsstühlen. Ein flaches schwarzes Kissen bedeckte den Sitz.
»Falls du mit der Untersuchung des Stuhls fertig bist, Lerris, könntest du dich vielleicht auch setzen.«
»Entschuldigung. Aber die Machart …« Ich setzte mich und schob den Stuhl zum Tisch. Wieder brauchte ich beide Hände.
Alle blickten Talryn an und warteten.
»Fangt an. Es gibt kein Tischgebet, keine Gesänge, keine Mysterien – nur gutes Essen.« Er griff nach der Platte mit Brot. »Nachdem ihr euch alle bedient habt, werde ich die versprochene Erläuterung geben.«
Ich spießte mit der langen Gabel mehrere Käsestücke vor Krystal auf. Sie hatte bereits eine Sauerbirne und einen Goldpfirsich genommen.
»Würdest du den Käse weiterreichen«, bat Wrynn mit ausdrucksloser Stimme.
»Bist du fertig?« fragte ich Krystal.
»Ja.« Wenn sie nicht kicherte, klang ihre Stimme beinahe so, als sänge sie, doch keineswegs affektiert.
Tamra hatte am anderen Tischende alles, was geboten wurde, auf den Teller gehäuft: Sauerbirnen, Äpfel, Käse, Brot und Fleisch.
Krystal reichte mir die Platte mit dem Fleisch.
»Danke.«
Sie nickte. Ich nahm mir mehrere Scheiben, ergriff die Platte und hielt sie Wrynn hin. Die Blondine legte doppelt so viele Scheiben auf ihren Teller, wie ich genommen hatte – ohne mich anzusehen, während ich immer noch die Platte hielt.
»Wrynn, würdest du die Platte Myrten weiterreichen?«
Sie schaute mich immer noch nicht an, nahm aber seufzend die Platte und stieß sie Myrten fast ins Gesicht.
»Vielen Dank.« Myrtens Stimme war angenehm, doch klang es, als hätte er jedes Wort poliert.
Wrynn sagte auch zu ihm nichts.
Ich hob den Becher und trank. Es war eine Saftmischung – leicht, etwas perlend.
Krystal, rechts von mir, holte ein kleines Messer heraus und zerteilte feinsäuberlich ihre Sauerbirne in Scheiben. Blitzschnell verzehrte sie die Hälfte. Ich gab mir Mühe, sie nicht anzustarren, und schmierte mir dick Rotbeerenmarmelade aufs Brot. Dazu aß ich gelben Käse.
»Woher kommst du?« fragte ich Krystal schließlich.
»Äh? Aus Extina.«
Ich hatte nie von Extina gehört.
»Ein kleines Dorf bei Landende. Niemand hat je davon gehört.« Das kleine Messer blitzte, und der Goldpfirsich war geviertelt, der Stein entfernt. »Und du?«
»Aus Wandernicht.«
»Ach … stimmt es, was man sich darüber erzählt?« Sie kicherte und zerstörte damit den flüchtigen Eindruck, eine ruhige, dunkle Schönheit zu sein.
»Was erzählt man sich denn über uns?« Ich hatte nie irgendwelche Gerüchte gehört.
»Das weißt du doch!« Krystal kicherte wieder. »Dort geschieht nie etwas, weil das Institut die Bruderschaft beherrscht.« Sie schob sich zwei Pfirsichstücke in den Mund.
»Waaas …?« Ich verschluckte den letzten Teil der Frage. Das Institut beherrschte die Bruderschaft? Diese vier Gebäude, wo sich die Leute trafen, um miteinander zu reden?
»Fühlst du dich wohl, Lerris?« fragte Talryn vom anderen Ende. Sofort erstarb jede Unterhaltung.
Ich nickte und verschluckte ein Stück trockenes Brot. Dann griff ich nach der Karaffe mit Fruchtpunsch und übersah das Funkeln in Tamras Augen, die offensichtlich meine ungemütliche Situation genoss.
Krystal schnitt mit dem Messerchen weißen Käse, dunkles Brot und Büffelfleisch in Stücke, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.
Wieder schluckte ich.
»Bist du sicher, dass du dich wohl fühlst?« fragte Krystal. Zum ersten Mal klang sie
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