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Magische Insel

Titel: Magische Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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gesehen hatte. Alle Pferde trabten so schnell, wie es zu vertreten war, wenn man einen langen Ritt vor sich hatte.
    Beide Männer trugen kurze Jacken, die aus dem gleichen grauglänzenden Material geschneidert waren wie der Umhang des Kutschers, so dass sie jederzeit die Schwerter in den weißen Scheiden zücken oder die weißen Lanzen ergreifen konnten, die in ähnlichen Halterungen steckten wie mein Stab.
    Der Soldat auf meiner Seite schenkte mir einen flüchtigen Blick unter der Kapuze hervor; aber dieser Blick war so mechanisch, als sähe er mich gar nicht richtig – oder als hätte er mich gesehen und die Beobachtung sofort weitergegeben, obwohl ich ihn die Lippen nicht bewegen sah.
    In dem Moment, als die Kutsche vorbeifuhr, schien der Mittag zu einer Sturmnacht zu werden. Gleich darauf blieb nur ein schwächer werdendes Gefühl von Unordnung zurück, als sich das Rumpeln der Räder und der Huf schlag entfernten. Noch einmal hörte ich ein heiseres: »Hü, hü!«
    Ich schüttelte mich und zog die Zügel straff. Ich hoffte, dass Isolde zu Ende geführt hatte, was immer sie zu erledigen hatte, und dass sie das schwarze Schiff gefunden hatte, das zweifellos unsichtbar irgendwo in der Nähe des Hafens wartete.
    Tamra – hoffentlich würde ihr ewiges Zaudern sie nicht in die Hände des Chaos-Magiers in der weißen Kutsche fallen lassen, aber ich konnte auch nichts für sie tun. Jedenfalls jetzt nicht. Ich schluckte und wischte mir das Wasser von der Stirn. Dann blickte ich gedankenverloren auf die Straße. Dabei fiel mir trotzdem auf, dass die Kutsche und die Pferde kaum Spuren im nassen Lehm hinterlassen hatten.
    Der Regen fiel eiskalt vom dunklen Himmel. Ich schaute mich suchend nach irgendeinem Unterschlupf um, aber die Straße führte kerzengerade für wenigstens drei Meilen eben dahin. Zu beiden Seiten die verfallenen Mauern, das vergilbte Gras und in der Ferne ein paar versprengte Schafe. Seit ich den ersten Hügel hinter Freistadt hinter mir gelassen hatte, waren mir kein einziges Haus, nicht die armseligste Kate zu Gesicht gekommen. Aber die Schafe waren ein Zeichen, dass irgendwo jemand lebte – und dass niemand nahe der Straße wohnen wollte, auf der ich ritt. Wieder lief es mir eiskalt über den Rücken.
    Gairloch warf den Kopf hoch und wieherte laut. Die Tropfen aus seiner Mähne trafen mich im Gesicht.
    »Ich weiß … es ist kalt und nass. Aber hier gibt es weit und breit keinen Unterstand.«
    Ja, nirgends ein trockenes Plätzchen. Nirgends.
    Wir trabten missmutig weiter.
    Keine Bauernkarren, keine Kutschen, nur der stete Regen von oben. Mein Umhang war durchtränkt und lag mir schwer auf den Schultern. Da gelangten wir an den ersten niedrigen Hügel am Ende dieses verlassenen Tals. Der Regen ließ nach und wich einem kalten Dunstschleier.
    Ein paar weit auseinander stehende Fichten säumten die Straße. Die Mauern waren nur noch geborstene Steinhaufen. Auf dem Scheitel des Hügels stand eine Ruine – offenbar Überbleibsel eines großen Guts oder Herrenhauses.
    Ich spürte jedoch keine Unordnung, auch kein Chaos – nur Alter und Vergänglichkeit … und vielleicht auch etwas Trauer. Mein Vater, Kerwin und Talryn hätten mich streng getadelt, weil ich die Beschreibung von Ordnung oder Unordnung gefühlsmäßig vornahm. Wenigstens konnte Gairloch mich nicht wegen schlampiger Logik zur Rede stellen.
    Nach diesem zweiten Hügel wurde das Gelände unregelmäßiger und wilder. Die Hänge waren zumeist mit Fichten bewachsen, besonders an den Ufern der Bäche. Obgleich sich durch den Regen viele Bäche und Rinnsale gebildet hatten, sah mir nur einer wie ein von Menschenhand gegrabener Kanal aus.
    Wieder schauderte es mich. Obgleich der elende Regen und die Gegend durchaus zu erklären waren, spürte ich, dass die Ursache des Regens nicht natürlich war. Warum? Das vermochte ich nicht zu sagen. Aber eins stand fest: Das Ausmaß der Regenmassen war unnatürlich, obgleich ich kein Anzeichen von Chaos wahrnahm.
    Das Wasser war natürlich. Gairloch trank genussvoll aus mehreren Bächen. Doch als ich anhielt, um ihn grasen zu lassen, bekundete er wenig Neigung, die kärglichen Halme zu rupfen; deshalb quälte ich mich wieder in den Sattel und verzehrte den Rest des Brots unterwegs, das ich aus Wanderers Ruh mitgebracht hatte.
    Das zweite Unnatürliche war die Straße. Wo immer es möglich war, verlief sie kerzengerade, wo nicht, machte sie leichte Biegungen, und wenn sie weder geradeaus noch in Biegungen

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