Magische Insel
Dienerin einen Korb voll nasser Steine zum Kamin. Fragend blickt sie erst den Wirt, dann den Mann in Weiß an. »Hier sind die Steine, die Ihr haben wolltet, Euer Lordschaft.«
»Bitte, staple sie auf den Rost.«
Die Dienerin gehorcht. Ihre Augen huschen ständig zwischen dem Wirt und dem Mann in Weiß hin und her.
»Danke, Mädchen. Hier, das ist für dich.«
Ihre Augen weiten sich, als sie das Silber nimmt. Sie neigt den Kopf und steckt die Münzen in eine verborgene Tasche im breiten Gürtel. »Vielen Dank, Euer Lordschaft.«
Der Mann in Weiß steht auf und mustert die Anwesenden. »Euch ist doch kalt, oder? Hättet ihr gern etwas Wärme?« Dabei deutet er auf drei Gäste an einem Tisch an der Wand.
»Ich sehe, dass ihr aus dem kalten Winterregen gekommen seid. Die Wärme geht auf meine Rechnung.« Er streckt die Hand in Richtung der kalten und nassen Steine auf dem Kaminrost aus.
Zisch …! Aus dem Kamin dringt ein greller weißer Lichtstrahl.
Sogar die Rothaarige zuckt zusammen. Atemlose Stille herrscht in der Schankstube.
Als die Helligkeit schwächer wird, glühen die Steine wie Kohlen. Langsam breitet sich herrliche Wärme im Raum aus.
Die verschleierte Frau mit den dunklen Augen steht auf und geht zum Tisch der Rothaarigen.
»Lord Antonin und ich möchten dich einladen, an unseren Tisch zu kommen«, sagt sie.
Die Rothaarige legt den Kopf schief und überlegt. »Warum?«
Die verschleierte Frau schaut den Stab an und lächelt freundlich. »Sollen wir das wirklich hier besprechen?«
»Ich schätze – nein«, antwortet die Rothaarige und lächelt ein wenig spöttisch. Doch dann folgt sie der Frau.
»Ich bin Sephya, und das ist Lord Antonin«, sagt diese und setzt sich wieder.
»Sei unser Gast«, bittet Antonin.
»Warum?« fragt die Rothaarige.
»Warum nicht?« fragt er zurück. »Zweifellos hast du einige Fragen, und wir sind vielleicht imstande, einige Antworten zu geben.«
Als die Rothaarige sich auf dem Stuhl niederlässt, mustert sie Sephya. Trotz der guten Figur ist die verschleierte Frau älter, als man auf den ersten Blick vermutet. Feine Linien ziehen sich von den Augenwinkeln zu den Schläfen. Rouge unterstreicht ihren Teint.
»Warum erklärt Ihr nicht, warum Ihr Eure Macht so zur Schau stellt? Und warum habt Ihr mich an Euren Tisch gebeten?« Ihr Ton klingt belustigt und scharf zugleich.
»Eine Tat ist eine Tat. Glaubst du, Äußerlichkeiten vermögen wirklich zu täuschen, junge Dame?«
»Sprecht weiter«, fordert die Rothaarige.
»Taten sprechen lauter als Worte. Die Menschen hier haben vor Kälte gezittert. Hat die Rechtschaffenheit von Recluce sie gewärmt? Kann der Wirt mit der Güte seines Herzens ein Feuer im Kamin entzünden?«
»Das ist ein oft geäußertes Argument, Antonin. Eine gute Tat macht niemanden zu einem guten Menschen. Ebenso wenig wie eine falsche Handlung einen guten Menschen zu einem Bösewicht macht.«
Die Vordertür öffnet sich. Ein eiskalter, nasser Windstoß vertreibt im Nu die Wärme aus dem Kamin – bis die Tür wieder laut zuschlägt.
»Taten sprechen lauter als Worte«, erklärt Antonin nachdrücklich und mit melodischer Stimme. »Sag mir, warum es falsch ist, die Frierenden zu wärmen.«
»Ich mag keine Antworten, die Fragen sind. Wie wäre es mit einer klaren Antwort?« Die Rothaarige blickt zur Rückwand und zur Tür des Schankraums.
Antonin zuckt mit den Schultern, als verschmähe er eine derartig direkte Art, und blickt ihr in die Augen. »Welchen Nutzen bringt ein guter Gedanke, wenn er nicht in eine gute Tat umgesetzt wird? Tut mir leid.« Er lächelt. »Lass es mich anders ausdrücken. Die Gestrengen innerhalb der Welt der Magie, etwa die Meister von Recluce, glauben, dass die Form der Magie entscheidet, ob sie gut oder böse ist. Sie beharren auf dem Standpunkt, dass die Verwendung von Chaos-Magie zum Bösen beitrage, selbst wenn sie jene rettet, die sonst erfrieren oder verhungern würden. Ich kann diese Überlegung nicht billigen. Ist ein Menschenleben nicht mehr wert als ein Etikett?« Wieder zuckte er mit den Schultern. »Ich bitte dich, darüber nachzudenken. Denk an die Bettler, die du draußen auf den kalten Straßen gesehen hast. Doch teile in der Zwischenzeit unser Mahl.«
»Und?«
Antonin lächelt warm. »Ich habe gewisse Geschäfte mit dem Herzog. Falls du mit uns zusammenarbeiten willst – ich werde in weniger als einem Achttag in Hydolar sein. In der Großen Loge. Warte dort auf uns oder hinterlaß eine
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