Magische Verführung
Leopard«, fügte Bryan hinzu.
Zach verstand ihn. Gestaltwandler waren weder Mensch noch Tier, sie waren beides. »Was hat dich denn so wütend gemacht?«
»Morgan hat was ganz Gemeines gesagt.«
Zach wusste aus Erfahrung, dass die scheinbar Schwachen manchmal am gehässigsten waren. Zumindest war sich Miss Kildaire dieser Tatsache bewusst, denn sie hatte nicht automatisch Bryan die Schuld gegeben. »Was hat er denn gesagt?«
Bryans Augen huschten zu seiner Lehrerin, dann beugte er sich vor. »Ich wollte es Miss Kildaire nicht sagen, denn sie ist nett, und ich mag sie.«
»Ich mag sie auch.« Und das war die reine Wahrheit. Die kleine Lehrerin mit ihrem rabenschwarzen Haar und den dunkelbraunen Augen hatte etwas an sich, das die Katze in ihm zum Schnurren brachte. Ihre Lippen waren enorm verführerisch, und er fragte sich, ob sie ihm wohl erlauben würde, das zu tun, was seine wilden Fantasien ihm vorgaukelten. Aber das musste wohl noch warten. Im Moment brauchte Bryan seine Hilfe. »Was hat das überhaupt mit Miss Kildaire zu tun?«
»Morgan hat gesagt, seine Mutter hat gesagt, Miss Kildaire ist ein Ladenhüter.«
Das musste Zach erst einmal verdauen. »Ladenhüter hat er gesagt?«
»Mmhh.« Bryan nickte entschieden. »Ich weiß nicht, warum Miss Kildaire einen Laden hüten sollte, aber das hat Morgan behauptet.« »Wahrscheinlich war das noch nicht alles.«
»Und dann hat Morgan gesagt, seine Mutter hat gesagt, Miss Kildaire ist zu fett, um einen Mann abzukriegen.«
Was für ein Schwachsinn!, dachte Zach. Wahrscheinlich war Morgans Mutter eine missgünstige alte Schnepfe.
»Verstehe.«
»Und dann hat er noch gesagt, sie ist ein Krüppel.«
Urplötzlich hatte Zach den Wunsch, dem kleinen Mistkerl Morgan selbst eine Tracht Prügel zu verpassen. »Und dann?«
»Dann hab ich ihm gesagt, er soll es zurücknehmen. Miss Kildaire ist die netteste Lehrerin überhaupt, und nur weil sie ein schlimmes Bein hat und sich manchmal auf einen Stock stützen muss, ist sie noch lange kein Krüppel.«
Seine Augen flammten vor Zorn und nahmen das Grün des Leoparden an.
»Halt die Katze zurück, Bryan!«, warnte Zach, der seine Wut selbst nur mit Mühe im Zaum hielt. Die Jungen mussten Selbstbeherrschung lernen. Vor langer Zeit hatte die unkontrollierte Wut der Gestaltwandler zu den blutigen Territorialkriegen geführt.
Die anderen Völker mochten diese schrecklichen Jahre vergessen haben, nicht aber die Gestaltwandler. Und sie würden nicht zulassen, dass sich so etwas wiederholte. »Hör sofort auf.« Er packte Bryan am Arm und knurrte tief in der Kehle. Diese Geste der Dominanz wirkte sofort.
»Tut mir leid«, murmelte sein Neffe.
Zachs Leopard strich unruhig hin und her, bis ihn der köstliche Duft der knackigen Lehrerin auf andere Gedanken brachte. »Nicht so schlimm. Wir mussten das alle erst lernen.«
»Klar«, seufzte Bryan. »Jedenfalls hat Morgan nicht aufgehört, sie Krüppel zu nennen, und da habe ich ihn geschlagen.«
Zach war in der Zwickmühle. Am Verhalten seines Neffen konnte er nichts Falsches finden, doch das Schlagen eines Mitschülers verstieß nun mal gegen die Regeln. Bryan sah ihn aufmerksam an, und Zach traf die einzig richtige Entscheidung. »Du weißt, dass wir Gewalt nicht dulden.«
Bryan nickte.
»Aber ich verstehe, warum du das getan hast.« Mit Lügen hatte das Rudel nichts am Hut. Und Bryan war schließlich alt genug, um den Unterschied zwischen Verständnis und Gutheißen zu verstehen.
Bryans Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Ich wusste es doch.« Jubelnd schlang er die Arme um Zachs Hals.
Zach drückte den kleinen Jungen an sich und fragte: »Warum hast du nicht deinen Vater angerufen? Der hätte bestimmt auch Verständnis gehabt.« Joe betrieb eine Bar, die der Lieblingstreff des Rudels war, und er war auch Soldat.
»Er schaut sich heute Liams Fußballspiel an. Das wollte ich nicht vermasseln, Liam übt schon seit einem Monat.«
Zach wuschelte ihm durchs Haar. »Du bist ein feiner Kerl, Bryan.« Dann stand er auf und sagte: »Schnapp dir deine Sachen, während ich das mit Miss Kildaire kläre.«
Bryan griff nach seiner Hand. »Aber nicht ...«
»Ich werde nichts sagen, versprochen.«
Erleichtert wandte sich Bryan seinem Fach zu und packte die Sachen zusammen.
Die Lehrerin erhob sich, als er näher kam, und am liebsten hätte er sie angeknurrt, sie solle verdammt noch mal sitzen bleiben. Schon vordem war ihm aufgefallen, dass sie ein wenig wacklig auf den Beinen
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