Magisches Erbe
Verzweiflung, und sie war berechtigt.
Ich konnte kaum sprechen. »Es ist Instinkt. Oder so was. Du bist ein Moroi. Ich bin eine Alchemistin. Natürlich reagiere ich auf dich. Denkst du, ich wäre gleichgültig?«
»Die meisten Alchemisten würden mit Abscheu, Ekel und Weihwasser reagieren.«
Das war ein ausgezeichnetes Argument. »Na gut … ich bin in der Gegenwart von Moroi etwas entspannter als die meisten Alchemisten. Wahrscheinlich ist das einfach eine rein körperliche, hormongesteuerte Reaktion aufgrund jahrelanger Gewöhnung. Mein Körper weiß es nicht besser. Ich bin genauso empfänglich für Lust wie jeder andere auch.« Vermutlich gab es ein Buch darüber oder zumindest einen Artikel in der Cosmopolitan.
Der Anflug eines Lächelns umspielte seine Lippen. Jetzt war er wieder ganz mit mir im Einklang. »Nein, bist du nicht. Ich meine, doch, bist du schon, aber nicht ohne Grund. Ich kenne dich gut genug, um das jetzt zu verstehen. Du bist nicht die Art von Mensch, die ›empfänglich für Lust‹ ist, ohne dass ein anderes Gefühl diese Lust unterstützt.« Er legte mir die Hand wieder auf die Hüfte und ließ sie an meinem Bein hinabgleiten. Ich schauderte, und sein Gesicht kam näher an meins heran. Seine Augen waren so voll, voller Begehren und Sehnsucht. »Siehst du? Da ist sie wieder. Meine Flamme in der Dunkelheit.«
»Küss mich nicht«, flüsterte ich. Es war die einzige Verteidigung, die ich aufbieten konnte. Wenn er mich küsste, wäre ich verloren. Ich schloss die Augen. »Du hast gesagt, du würdest es nicht tun.«
»Werde ich auch nicht.« Seine Lippen waren nur einen Atemzug entfernt. »Es sei denn, du möchtest es.«
Ich öffnete die Augen, um Nein zu sagen – und dass es keine Rolle spielte, was meine Aura angeblich sagte … dies durfte nicht dauernd passieren. Es gab kein Gefühl, das die Lust unterstützte, und ich versuchte, mich an mein früheres Argument zu klammern. Ich fühlte mich jetzt in der Gegenwart von Moroi so wohl, dass offensichtlich irgendein primitiver Teil meines Selbst immer wieder vergaß, was er eigentlich war. Das war bloß ein niederer Instinkt. Es war nichts weiter als eine körperliche Reaktion auf ihn, auf seine Hände, seine Lippen, seinen Körper …
Er ergriff meinen Arm und rollte mich herum. Ich schloss wieder die Augen und schlang ihm die Arme um den Hals. Ich spürte, wie seine Lippen meine berührten, kein richtiger Kuss, nur der leiseste Hauch von …
Die Tür ging auf, und ich zuckte zusammen. Alicia trat ein, stieß einen überraschten Laut aus und schlug die Hand vor den Mund, um einen schockierten Aufschrei zu verbergen. »Oh-oh«, stammelte sie. »Tut mir so leid … ich … wusste nicht …«
Adrian und ich fuhren auseinander und richteten uns auf. Mir sprang das Herz beinahe aus der Brust, und ich wusste sofort, dass ich rot wurde. Schnell klopfte ich auf meine Perücke und spürte erleichtert, dass sie immer noch da war, wo sie hingehörte. Adrian fand seine Stimme schneller wieder.
»Entschuldigung … wir haben uns irgendwie mitreißen lassen. Wir haben uns auch die anderen Zimmer angesehen und beschlossen, sie, äh, auszuprobieren.« Trotz seiner schuldbewussten Worte hatte er einen selbstgefälligen Ausdruck auf dem Gesicht, wie man ihn von einem Mann erwarten würde, der soeben eine Eroberung gemacht hatte. Gehörte das mit zum Spiel oder dachte er wirklich, er sei mit etwas davongekommen?
Alicia wirkte ebenso verlegen, wie ich mich fühlte. »Ich verstehe. Nun, dieses Zimmer ist besetzt. Es ist …« Sie runzelte die Stirn und stutzte. »Es ist Veronicas Zimmer. Sieht aber so aus, als sei sie abgereist.«
Ich schaffte es endlich, etwas zu sagen. »Deshalb dachten wir auch, dass es leer steht«, murmelte ich hastig. »Da war gar nichts drin.«
Zum Glück schien Alicia unsere kompromittierende Stellung vergessen zu haben. »Das ist ja merkwürdig. Sie hat nicht formell ausgecheckt. Ich meine, sie hatte im Voraus bar bezahlt, aber trotzdem. Das ist so seltsam.«
Danach ergriffen wir selbst eilig die Flucht, nachdem wir Alicia erneut damit abgespeist hatten, dass wir uns wieder melden würden. Als wir in den Wagen stiegen, sprachen wir nicht viel. Ich verlor mich in meinen Gedanken, die zu gleichen Teilen auf Frust wegen Veronica und auf Verwirrung wegen Adrian beruhten. Ich weigerte mich jedoch, Letzteres anzuerkennen, und entschied mich für meine gewohnte Taktik. Je eher dieser Moment vergessen war, umso besser. Ich war mir
Weitere Kostenlose Bücher