Magisches Erbe
die die Konsistenz von Trockeneis hatten. Ich stieß es dem Kerl ins Gesicht. Er prallte angewidert zurück, während ihm Tränen in die Augen schossen. Die Substanz selbst war relativ harmlos, aber ihre Dämpfe wirkten wie Pfefferspray. Er ließ mich los, und mit einer Stärke, von der ich selbst nicht gewusst hatte, dass ich sie besaß, schaffte ich es, ihn auf den Rücken zu rollen und am Boden festzuhalten. Ich stieß ihm den Ellbogen aufs Handgelenk, und er ächzte vor Schmerz. Mit meinem anderen Arm wedelte ich drohend mit der Phiole, als wäre es eine Machete. Das würde ihn nicht lange täuschen, aber mir würde es hoffentlich ein wenig Zeit verschaffen, um die Situation neu einzuschätzen. Jetzt, da er still dalag, konnte ich endlich einen guten Blick auf ihn werfen und war erleichtert zu sehen, dass ich zumindest mein Ziel erreicht hatte. Er hatte ein junges, hübsches Gesicht mit einer indigoblauen Tätowierung auf der Wange. Es war ein abstraktes Muster, das wie ein Gitterwerk aus Mondsicheln aussah. Ein schwacher, silberner Glanz umgab einige der blauen Linien.
»Freut mich, dich kennenzulernen, Marcus.«
Dann geschah etwas ganz Erstaunliches. Durch seine tränenden Augen hatte er ebenfalls versucht, einen guten Blick auf mich zu bekommen. Als er mich blinzelnd ansah, dämmerte auf seinem Gesicht die Erkenntnis.
»Sydney Sage«, stieß er hervor. »Ich habe nach dir gesucht.«
Ich hatte keine Zeit, überrascht zu sein, denn plötzlich hörte ich das Klicken einer Pistole und spürte einen Lauf am Hinterkopf.
»Runter von ihm«, verlangte eine Stimme. »Und die Rauchbombe fallen lassen.«
Kapitel 7
Ich mochte entschlossen gewesen sein, Marcus zu finden, aber gegen eine Pistole würde ich bestimmt nicht argumentieren.
Ich hob die Hände und stand langsam auf, wobei ich dem Neuankömmling den Rücken zugekehrt hielt. Genauso vorsichtig trat ich von Marcus weg und legte die Phiole auf den Boden. Immer noch quollen Dämpfe heraus, aber die Reaktion würde bald aufhören. Dann wagte ich es, einen Blick hinter mich zu riskieren. Ich traute meinen Augen kaum, als ich das Mädchen sah, das dort stand.
»Bist du okay?«, fragte es Marcus. Er erhob sich unsicher auf die Füße. »Ich bin los, sobald du angerufen hast.«
»Du!« Etwas Wortgewandteres bekam ich nicht hin.
Die junge Frau, die vor mir stand, war ungefähr in meinem Alter, mit langem, zerzaustem blondem Haar. Sie hielt die Waffe immer noch auf mich gerichtet, aber auf ihrem Gesicht erschien ein kleines Lächeln.
»Schön, dich wiederzusehen.«
Das Gefühl beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Ich hatte sie das letzte Mal gesehen, als ich mich den Kriegern in ihrer Arena gestellt hatte. Sie hatte auch damals eine Waffe geschwungen und ständig knurrend das Gesicht verzogen. Sie hatte mich herumgeschubst, mich bedroht und kein Geheimnis daraus gemacht, wie ketzerisch sie meine Verteidigung von Sonya fand. Obwohl sie jetzt viel ruhiger erschien als bei diesen Fanatikern, konnte ich trotzdem nicht vergessen, was sie war – oder was die Implikationen waren. Ungläubig drehte ich mich zu Marcus um. Er hielt sich das Handgelenk, das ich mit dem Ellbogen festgenagelt hatte.
»Du … du bist einer von ihnen! Einer der Krieger des Lichts!«
Ich glaube nicht, dass ich je im Leben so enttäuscht gewesen bin. Ich hatte so viele Hoffnungen auf Marcus gesetzt. Er war in meiner Vorstellung überlebensgroß geworden, ein rebellischer Retter, der mich in alle Geheimnisse der Welt einweihen und mich davon befreien würde, ein weiteres Rädchen in der Maschinerie der Alchemisten zu sein. Aber das war alles eine Lüge. Clarence hatte erwähnt, dass Marcus die Krieger überredet hatte, ihn in Ruhe zu lassen. Ich hatte angenommen, dass es daran lag, dass Marcus irgendein unglaubliches Druckmittel besaß, das er gegen die Krieger einsetzen konnte, aber offenbar war der Schlüssel zu seinem Einfluss der, dass er einer von ihnen war.
Er schaute von seinem Handgelenk auf. »Was? Diese Spinner? Teufel, nein.«
Ich hätte beinahe auf das Mädchen gezeigt, aber es war jetzt wohl das Beste, keine plötzlichen Bewegungen zu machen. Ich entschied mich daher für ein Nicken in ihre Richtung und bemerkte, dass alle Schlösser an der Tür geöffnet worden waren. Ich war so in den Kampf mit Marcus vertieft gewesen, dass ich sie nicht gehört hatte. »Ach wirklich? Und warum hat dich dann gerade eine von ihnen gerettet?«
»Ich gehöre nicht richtig zu ihnen.« Sie sprach in
Weitere Kostenlose Bücher