Magisches Erbe
in einem Block standen noch viktorianische Häuser. Ich schnappte nach Luft.
»Da ist es!«
Adrian hielt auf der anderen Straßenseite an, gegenüber von dem Haus aus meiner Vision. Alles war da, von der Veranda bis hin zur Hortensie. Und jetzt, bei vollem Tageslicht, konnte ich das Schild im Vorgarten lesen: VIKTORIANISCHES BED AND BREAKFAST . In kleinerer Schrift stand darunter, dass es denkmalgeschützt war.
»Na, dann mal los.« Adrian war sichtlich zufrieden mit seiner Entdeckung, trotz des Risikos, dem die Autoreifen ausgesetzt waren. »Vielleicht wohnt Jackies Schwester ja hier.«
»Komische Wahl, um von dort aus magische Schandtaten zu begehen«, bemerkte ich.
»Das sehe ich nicht so. Da es keine alten Burgen in der Gegend gibt, warum kein Bed and Breakfast?«
Ich holte tief Luft. »Na schön. Lass uns ein paar Erkundigungen einziehen. Bist du dir sicher, dass du den Geist der Leute verwirren kannst, die mich sehen?«
»Leichte Übung«, sagte er. »Noch leichter wäre es, wenn du deine Perücke tragen würdest.«
»Oh, Mist. Die hab ich ganz vergessen.« Ich bückte mich und holte eine schulterlange, braune Perücke hervor, mit der mich Ms Terwilliger ausgestattet hatte. Selbst mit Adrians Magie wollten wir zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Obwohl es gut wäre, wenn die Leute von einer unscheinbaren Blondine besucht werden würden, wäre es noch besser, wenn sie von einer unscheinbaren Brünetten besucht würden. Ich setzte die Perücke auf und hoffte, dass niemand meine Verwandlung gesehen hatte. Dann hob ich den Kopf. »Sieht das okay aus?«
Adrians Gesicht drückte Zustimmung aus. »Niedlich. Du siehst noch intelligenter aus, als ich je für möglich gehalten hätte.«
Wir stiegen aus dem Wagen, und ich fragte mich, ob ich überhaupt intelligenter aussehen wollte. Viele Leute fanden mich bereits langweilig. Blondes Haar war vielleicht das einzig Aufregende an mir. Dann dachte ich einen Moment lang über meine jüngsten Erlebnisse nach: Ich hatte eine Feuerleiter erklommen, war eingebrochen und hatte mich mit einem Flüchtigen geprügelt. Ganz zu schweigen davon, dass ich jetzt an der Seite eines Vampirs, der die Gedanken anderer kontrollieren konnte, eine mächtige, böse Hexe jagte.
Okay, vielleicht war ich ja doch nicht so langweilig.
Wir traten ein und fanden eine schöne kleine Lobby mit einem kunstvollen Schreibtisch und einer Sitzecke mit Korbmöbeln vor. Ausgestopfte Kaninchen in Ballkleidern schmückten die Regale, und an den Wänden hingen sogar Ölgemälde von Königin Viktoria. Die Besitzer nahmen ihr Thema anscheinend sehr ernst, obwohl ich mir nicht sicher war, wie da die Kaninchen hineinpassten.
Ein Mädchen in meinem Alter saß an dem Tisch und sah überrascht von einer Zeitschrift auf. Sie trug ihr platinblondes Haar kurz und dazu eine Hipsterbrille. Um den Hals hingen tonnenweise bunte Ketten, die gegen mein minimalistisches Empfinden verstießen. Knallpinke Plastikperlen, ein grün funkelnder Stern, ein Medaillon aus Gold und Diamanten, eine Hundemarke … es war unglaublich. Schlimmer noch, sie kaute lautstark auf einem Kaugummi herum.
»Hi«, begrüßte sie uns. »Kann ich euch helfen?«
Wir hatten zwar einen ganzen Auftritt einstudiert, aber Adrian wich sofort vom Skript ab. Er schlang den Arm um mich. »Ja, wir suchen ein Zimmer fürs Wochenende, und eine Freundin von uns schwört, dass es hier megaromantisch ist.« Er zog mich enger an sich. »Wir haben bald unseren Jahrestag. Jetzt sind wir schon ein Jahr zusammen, aber es kommt mir überhaupt nicht so vor.«
»Ja, genau«, sagte ich und versuchte zu verhindern, dass mir der Unterkiefer runterklappte. Ich zwang mich zu einem Lächeln und hoffte, dass es glücklich wirkte.
Das Mädchen schaute zwischen uns hin und her, während ihre Miene weicher wurde. »Das ist ja voll süß. Herzlichen Glückwunsch.«
»Können wir uns das Haus mal ansehen?«, fragte Adrian. »Ich meine, falls es freie Zimmer gibt?«
»Klar«, antwortete sie und stand auf. Sie spuckte ihr Kaugummi in einen Mülleimer und kam auf uns zu. »Ich bin Alicia. Die Besitzer sind meine Tante und mein Onkel.«
»Taylor«, stellte ich mich vor und schüttelte ihr die Hand.
»Jet«, sagte Adrian. Ich hätte beinahe gestöhnt. Aus unerklärlichen Gründen war »Jet Steele« ein Pseudonym, das Adrian wirklich gern benutzte. Bei unserer Probe heute hatte er Brian heißen sollen.
Alicia sah zwischen uns hin und her, ein kleines Stirnrunzeln
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