Magma
Meeresgrundes läge. Das ist völlig ausgeschlossen.«
»Unsere Messwerte sagen etwas anderes.«
Ella schüttelte energisch den Kopf. »Verstehen Sie denn nicht? Wenn diese Signale eine tektonische Ursache haben, muss die Quelle der Erschütterungen einige Kilometer tief in der Erdkruste liegen. Der Marianengraben ist eine Subduktionszone. Die Pazifische Platte trifft dort auf die Asiatische Platte und gleitet unter ihr hinweg. Erfahrungsgemäß sind Subduktionszonen Erdbebenzonen, so wie auch der Kalifornische Graben, besser bekannt unter dem Namen
San-Andreas-Spalte
. In diesen Grabenbrüchen bauen sich Spannungen auf, die sich in ruckartigen Bewegungen entladen. Das kann verheerende Beben auslösen. Wie gesagt, diese Spannungen bauen sich im Erdmantel auf – und zwar in beträchtlicher Tiefe.« Sie tippte auf den Monitor. »Das hier ist etwas anderes. Es sieht irgendwie künstlich aus.«
Esteban schüttelte den Kopf. »Das war auch unser erster Gedanke. Doch alle Akustikexperten in unserem Team haben die Werte wieder und wieder geprüft und sind immer zu demselben Ergebnis gekommen. Es kann nur ein natürliches Phänomen sein. Genauere Aussagen lassen sich aber erst treffen, wenn wir uns das Phänomen vor Ort anschauen.«
»Das ist schon verdammt merkwürdig«, sagte Ella. »So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen.«
»Wären Sie gern mit dabei?«, Estebans Lächeln wurde breiter.
»Warum ich? Warum nicht Bob Anderson, er ist Spezialist in Sachen pazifischer Tektonik. Der Marianengraben ist sein Fachgebiet.«
»Den haben wir schon gefragt«, sagte Billings. »Aber es gibt da ein Problem. Er ist ein Schreibtischhengst. Lebt, forscht und arbeitet nur innerhalb seiner schützenden vier Wände. Er ist daher für unsere Zwecke völlig ungeeignet. Als wir ihm von der Expedition in die Tiefe erzählten, war er so frei, uns Ihren Namen zu nennen, verbunden mit der Bemerkung, dass Sie verrückt genug sein könnten, an solch einem Himmelfahrtskommando teilzunehmen.«
»
In die Tiefe?
Wie meinen Sie das?«
»Wir werden natürlich tauchen müssen, um uns das Phänomen vor Ort anzusehen.«
Ella hätte beinahe laut losgelacht. »Hinunter in die Challenger-Tiefe? Was für ein absurder Gedanke. Das hat seit Piccard niemand mehr gemacht, und das ist beinahe fünfzig Jahre her. Soweit ich weiß, gibt es momentan kein Tauchboot, das dem Druck da unten standhalten würde.«
»Die Information ist nicht ganz korrekt«, sagte Billings und blickte dabei prüfend auf seine Fingernägel. »Die Japaner verfügen über ein geeignetes Tauchboot. Es befindet sich zwar noch im Versuchsstadium, aber unsere Regierung hat ihnen eine beträchtliche Summe zugesagt, wenn sie uns an ihrer Expedition teilhaben lassen. Die
Shinkai 11 000
geht in vier Tagen, also am Freitag, den 27 . März, um sieben Uhr Ortszeit mit sechs Besatzungsmitgliedern an Bord auf Tauchfahrt. Sie können bei der Expedition dabei sein, wenn Sie wollen«, fügte er mit einem Lächeln hinzu.
Ella schwirrte der Kopf. Sie musste diese Flut von Informationen erst noch verarbeiten. Gedankenverloren schenkte sie sich noch mal Tee nach. Wenn sie wirklich zusagen würde, dann warf sie von einer auf die andere Sekunde ihre gesamte Lebensplanung über den Haufen. Dann würde sie wieder genau dort anfangen, wo sie vor drei Monaten aufgehört hatte: ohne Wohnung, ohne Freundeskreis, ohne Mann und ohne Familie. Und wer konnte sagen, ob sie nach getaner Arbeit die Kraft fand, sich noch einmal für ein neues Leben zu entscheiden? Andererseits war das eine einmalige Gelegenheit. Sie spürte, dass hier ein Abenteuer und ein Rätsel auf sie warteten, wie es sich nur einmal im Leben bot. Keine leichte Entscheidung. Nachdenklich nippte sie an ihrem Tee.
Gerade als sie sich dazu entschlossen hatte, den beiden Herren eine Abfuhr zu erteilen, fiel ihr Blick auf den Monitor. Die Signale waren in der Zwischenzeit weitergelaufen, präzise und stetig. Zwei Komma sechs auf der Richterskala.
Sie stellte die Tasse ab und fuhr mit dem Zeigefinger über den Monitor. Die Ausschläge waren das Seltsamste, was sie jemals gesehen hatte. Je länger sie sie betrachtete, desto mehr teilte sie die Meinung der beiden Mitarbeiter des
Naval Office
. Die Ursache konnte unmöglich etwas von Menschen Geschaffenes sein. Dafür waren die Erschütterungen viel zu stark. Die Reflexionen an der Mohorovizischen Diskontinuität, einer Trennschicht zwischen Kruste und Mantel, die immerhin in einer Tiefe von rund
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