Magnolia Haven 01 - Morgendammerung
wieso er sie gefragt hatte, ob sie mit Tom schlief.
Eine nie gekannte und übermächtige Wärme strömte auf einmal durch sie hindurch und ihr wurde fast schwindelig davon.
»Jake«, dachte sie hilflos, »Wie kann das nur sein?«
Die Buchstaben tanzten vor Jakes Augen. Er wusste, dass er sich verraten hatte, er hatte es in Joannas Blick gesehen. Das kurze, irritierte Flackern, dann dieses winzige Aufleuchten, welches ihm sofort klarmachte, dass er einen Fehler begangen hatte.
»Jetzt weiß sie es«, dachte er unglücklich, »Ich hätte nicht hierherkommen dürfen.«
Eigentlich hatte er nicht die Absicht gehabt, ins Ferienhaus zu fahren. Doch er teilte sich jedes Jahr den Urlaub mit seinem Bruder, vier Wochen Tom, vier Wochen er, damit die Firma nicht ohne Aufsicht war. Es waren ihm auch keine plausiblen Argumente eingefallen, warum er es dieses Mal nicht so machen wollte. Wie hätte er denn begründen sollen, dass es besser war, wenn er Joanna aus dem Weg ging? Er konnte ja nicht einmal sich selbst erklären, was mit ihm los war, geschweige denn seinem Bruder.
Also war er hierher gefahren, in der Hoffnung, dass Joanna zusammen mit Tom abreisen würde. Als Olivia bekundet hatte, dass sie keine Lust hätte, sich länger hier in der Einöde zu langweilen, hatte er aufgeatmet, denn sie würde Michael mitnehmen, und das bedeutete, dass Joanna ebenfalls nach Hause fahren würde.
Allerdings hatten sie ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Tom hatte darauf bestanden, dass Michael wie jedes Jahr die Ferien komplett ausnutzen solle, und so war Joanna nun auch hier.
Er, Jake, hatte nichts dagegen tun können, nichts, was nicht irgendwie verdächtig gewirkt hätte.
Anfangs hatte er noch geglaubt, sich gut genug unter Kontrolle zu haben, dass die Situation nicht zu einem Problem werden würde. Schließlich war er ein erwachsener Mann und kein pubertierender Jüngling. Es sollte also möglich sein, normal mit ihr umzugehen, ohne dass diese verbotenen Gefühle in seinem Inneren an die Oberfläche kamen.
Doch das war es nicht. Sie jetzt täglich in seiner Nähe zu haben, zerrte an seinen Nerven. Er genoss es viel zu sehr, dass sie sich so um ihn kümmerte, er war erstaunt darüber, dass sie so genau wusste, was er gerne mochte, und alles tat, damit es ihm gutging. Sie erzeugte eine Wärme in ihm, die er so noch nie gespürt hatte und er sehnte sich danach, mehr davon zu erleben.
Als sie dann eben mit diesem winzigen Bikini aus dem Wasser gestiegen war, hatte sie ihn vollends aus der Fassung gebracht. Ihre weichen Rundungen, die unzähligen Wassertropfen auf ihrer sonnengebräunten Haut, in denen sich das Sonnenlicht glitzernd brach, ihr entspanntes, glückliches Gesicht – das war zu viel gewesen.
Er hatte sie nicht so ansehen wollen, er wusste, dass er sie nicht so ansehen durfte. Doch er hatte sich nicht gegen das heftige Begehren wehren können, das sie in ihm hervorrief und durch das verräterische Leuchten in ihren Augen unbewusst noch verstärkt hatte.
»Joanna«, dachte er hilflos, »Wie kann das nur sein?«
12
Nach dieser Begebenheit am Strand war Jake genau so distanziert wie zuvor, nur mit dem Unterschied, dass Joanna nun den Grund dafür kannte, und Jake es wusste.
Jake konnte es sich nicht verzeihen, dass er sich für einen kurzen Moment nicht unter Kontrolle gehabt hatte, und ihm war klar, dass das nicht noch einmal vorkommen durfte.
Joanna wusste, warum er sich plötzlich wieder zurückzog und wusste auch, dass es das Beste für sie beide war.
Ohnmächtig standen sie der Situation gegenüber und bemühten sich, gegen die Gefühle in ihrem Inneren anzukämpfen.
So schlich die Zeit qualvoll langsam dahin, und schließlich neigte sich der Urlaub dem Ende zu.
An einem Morgen, vier Tage vor ihrer geplanten Abreise, machte Joanna einen Spaziergang am Strand entlang. Sie genoss die Wärme der Sonne, die trotz der frühen Uhrzeit schon recht kräftig brannte und hing ihren Gedanken nach. Sporadisch bückte sie sich, um eine Muschel aufzuheben, die sie in den umgestülpten Saum des Kleides legte, das sie über ihrem Bikini trug.
Ohne es zu bemerken, hatte sie sich dabei immer weiter vom Haus entfernt, und als sie in einer kleinen, abgelegenen Bucht ankam, setzte sie sich für einen Moment in den Sand.
»Hi Joanna«, hörte sie auf einmal Michaels Stimme.
Erschrocken zuckte sie zusammen. Seit dem Vorfall mit Martha war sie mit ihm nicht mehr alleine gewesen, zumindest nicht außer Rufweite anderer
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