Magnolia Haven 01 - Morgendammerung
versuchte, sich nichts davon anmerken zu lassen. Äußerlich völlig ruhig und gelassen verhielt sie sich wie immer. Allerdings achtete sie sorgsam darauf, sich mit ihm alleine nicht mehr allzu weit vom Haus zu entfernen, damit sie notfalls um Hilfe rufen konnte.
Einige Tage später begannen die Sommerferien, und wie in den öffentlichen Schulen auch hatte Michael für zwei Monate keinen Unterricht.
Als Tom Joanna erklärte, dass sie ans Meer fahren würden, war sie äußerst überrascht.
»Wir haben ein Ferienhaus in der Nähe von Virginia Beach, dort verbringen wir jedes Jahr unseren Urlaub, und du wirst uns natürlich begleiten.«
Voller Vorfreude packte sie ihren Koffer, die Aussicht auf ein paar Wochen am Strand ließen die unangenehmen Gedanken an das Erlebnis mit Michael verblassen.
Schließlich saßen sie in Toms Limousine und waren unterwegs in Richtung Virginia Beach. Tom fuhr, Olivia hatte es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht, Michael saß hinten bei Joanna., Sie quetschte sich in die äußerste Ecke, ängstlich darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen.
Jake war auf Magnolia Haven geblieben, er musste sich um die Geschäfte kümmern, und Joanna wusste nicht, ob sie darüber traurig oder froh sein sollte. In den letzten Tagen war er ihr gegenüber unverändert kühl und abweisend gewesen, er hatte überhaupt keine Notiz von ihr genommen, und noch immer tat sein Verhalten ihr weh.
Auf halber Strecke machten sie in Knoxville Rast, dort übernachteten sie in einem kleinen Motel. Zu Joannas Erleichterung bekam sie ein eigenes Zimmer, sie hatte bereits befürchtet, vielleicht mit Olivia oder gar mit Michael in einem Raum schlafen zu müssen.
Als sie am nächsten Nachmittag endlich die Küste erreichten, entschädigte der Anblick des Atlantiks Joanna sofort für all die quälenden Stunden der letzten Wochen.
Obwohl sie in New Orleans aufgewachsen war und somit den Golf von Mexiko praktisch vor der Haustür gehabt hatte, hatte sie doch nie Gelegenheit zum Schwimmen oder Sonnenbaden gehabt.
Das Ferienhaus lag direkt am Meer, ein wenig oberhalb des Ufers in den Dünen. Es war hell und geräumig, und es gab mehrere Schlafzimmer und zwei Bäder, sodass Joanna einen Raum für sich hatte.
Nachdem sie ausgepackt hatte, schlüpfte sie rasch in eine kurze Hose und ein Top und lief an den Strand hinunter. Sie zog sich die Schuhe aus und plantschte eine Weile mit den Füßen im Wasser herum. Danach setzte sie sich in den warmen Sand, schaute den Möwen zu und beobachtete ein paar Schiffe, die wie Spielzeuge am Horizont entlangglitten.
Die Sonne glitzerte auf den Wellen, kleine weiße Schaumkronen zierten die Kämme, ein leichter Wind wehte ihr salzige Luft ins Gesicht, und sie fühlte sich fast wie im Paradies.
Verträumt ließ sie etwas Sand durch die Finger rinnen, und plötzlich ging ihr durch den Kopf, dass es noch viel schöner wäre, wenn Jake hier wäre.
Sehr schnell stellte Joanna fest, dass Tom sie offenbar nicht nur Michaels wegen mitgenommen hatte, und dass dieser Urlaub für sie keine Erholung sein würde.
Da es im Ferienhaus kein Personal gab, hatte Olivia es scheinbar vorgesehen, Joanna mit allen anfallenden Arbeiten zu beauftragen.
Kaum war sie von ihrem ersten Ausflug an den Strand zurückgekehrt, stand Olivia auch schon zornsprühend vor ihr.
»Was fällt dir ein, einfach zu verschwinden? Du bist nicht hier, um dich auszuruhen. Geh nach oben und bezieh die Betten, und danach wirst du das Essen machen.«
Wortlos ging Joanna ins Obergeschoss und richtete die Schlafzimmer für Olivia, Tom und Michael her. Anschließend begann sie mit der Zubereitung des Abendessens und wieder einmal war sie froh, dass sie im »Red Lantern« zwar kein gewöhnliches, aber doch ein sehr lehrreiches Leben geführt hatte.
Die Frauen dort hatten sich immer selbst versorgen müssen, und Joanna war ihnen so oft wie möglich beim Kochen zur Hand gegangen oder hatte ihnen über die Schulter gesehen. Da das Bordell ein Schmelztiegel aller Nationalitäten gewesen war, kannte sie nicht nur die für New Orleans typische kreolische Küche, sondern auch eine Menge anderer Gerichte.
So gelang es ihr ohne Probleme, aus den Lebensmitteln, die sie auf dem Weg zum Strandhaus noch besorgt hatten, eine leckere Mahlzeit zu zaubern.
Tom und Michael schienen mit dem Essen zufrieden zu sein, nur Olivia hatte es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht, kein gutes Haar an Joanna zu lassen.
»Was soll denn das sein?«, zischte
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