Magnolia Steel – Hexennebel
schnappte überwältigt nach Luft. Es war ein wundervolles Gefühl. Denn auf einmal hatte sie trotz der Ruinen, die sie umgaben, das tröstliche Gefühl, als könnte nun doch noch alles gut werden.
Vor ihnen ragten die rußgeschwärzten Mauern eines Turms in den Himmel. Die Scheiben der winzigen Fenster waren gesprungen, und das Dach sah aus, als hätte es ein Rendezvous mit einer Abrissbirne gehabt. Nichts war mehr so, wie sie es in Erinnerung hatte. Trotzdem gab es für Magnolia keinen Zweifel. Sie waren zurück auf dem Teufelsberg. Die Burg des Grafen war zwar nicht mehr als eine Brandruine, aber der Turm hatte genau wie sein Besitzer überlebt. Man konnte die Boshaftigkeit spüren, die noch immer in seinen Mauern nistete.
»Worauf wartet ihr? Wir sind noch nicht am Ziel!«, rief Meister Schnuck ungeduldig und verschwand hinter einer niedrigen Tür, die in den Turm hineinführte. Die Trolle stießen sie unsanft an, und sie stiegen erneut eine steile Wendeltreppe empor. Dann waren sie offensichtlich dort, wo Schnuck sie haben wollte.
»Willkommen in meinem Labor!«, begrüßte der Meister seine unfreiwilligen Gäste, und in seinem Gesicht fing es heftig an zu zucken.
Angespannt huschte Magnolias Blick durch den Raum und blieb an einem gläsernen Sarg hängen, der auf einem wuchtigen hölzernen Tisch aufgebahrt war. Was sie dort sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Entsetzt suchte sie Kontakt zu Jörna und stellte fest, dass ihre Freundin genauso erschrocken war. In dem gläsernen Sarg lag niemand anderer als Graf Raptus. In seiner ganzen Scheußlichkeit! Eingehüllt in einen blutroten Umhang, die wächsernen Gesichtszüge unbeweglich und die Augen wie im Schlaf geschlossen. Einzig auf seinen unnatürlich roten Lippen lag ein winziges Lächeln.
»Wenn ihr genug gestaunt habt, nehmt Platz!«, sagte Meister Schnuck und deutete auf sieben Armstühle, die in einer Reihe nebeneinander standen und mit Lederriemen versehen waren.
»Niemals!«, zischte Magnolia. Und als hätten die anderen genau den gleichen Gedanken, stellten sie sich Rücken an Rücken zueinander auf. Leander nahmen sie dabei in die Mitte.
Meister Schnuck lachte amüsiert. »Und nun? – Buh!«
Die Gruppe zuckte geschlossen zusammen.
»Tonebat!«, rief Magnolia und deutete auf Meister Schnuck. Die Explosion traf seine Brust, zeigte aber außer ein paar Schmauchspuren keine Wirkung.
»Du langweilst mich«, ließ der Meister sie wissen. »Fesselt das Ungeziefer an die Stühle!«, befahl er kurzerhand, und die Trolle fackelten nicht lange. Wer schon einmal unbewaffnet gegen einen Troll gekämpft hat, weiß, dass Widerstand zwecklos ist. Im Handumdrehen saßen die Zauberschüler auf ihren Stühlen, und Goldemar legte ihnen persönlich die Fesseln an. »Viel Spaß«, raunte er.
Magnolia war ungeheuer stolz auf Leander und ihre Mitschüler. Keiner von ihnen ließ sich seine Angst anmerken. Sogar Ronda saß kerzengerade da und blickte durch Meister Schnuck hindurch, als wäre er Luft. Eugenie schaffte es sogar, ein kleines, böses Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.
Meister Schnuck stolzierte inzwischen wie ein aufgeblasener Gockel vor ihnen auf und ab. Er genoss die Situation. Dann trat er an den gläsernen Sarg und strich liebevoll mit der Hand über den Deckel.
»Sicher habt ihr inzwischen eins und eins zusammengereimt«, fing er an. »Trotzdem will ich euch erklären, was ich mit euch vorhabe. Dieser wunderbare Körper, gefangen unter Glas, gehört mir.« Aufmerksam blickte er in die Runde. »Volle zwei Jahre hat es gedauert, bis ich die Kraft zur Metamorphose entwickelt habe. Und nun ist er endlich da, der Tag der Verwandlung. Der Tag, an dem ich diese ekelhafte Hülle, in der ich seit Monaten gefangen bin, abstreife, um so zu leben, wie es mir zusteht. Ewig, mächtig und vor allem in meinem eigenen Körper.«
Jörna sah Magnolia an. »Hat er das ewige Leben?«
Magnolia mochte nicht darüber nachdenken.
»Ihr werdet Zeugen dieser Verwandlung sein, zu der mir nur noch sieben Zutaten fehlen.«
Beunruhigt sahen sich die Hexenschüler an. Man musste keinMathematikgenie sein, um zu begreifen, wer ihm diese sieben Zutaten liefern sollte.
»Der Körper im Sarg sieht doch völlig okay aus. Was fehlt denn noch?«, fragte Konrad, und seine Stimme zitterte nur ein winziges bisschen.
Meister Schnuck lächelte. »Was noch fehlt, ist das, was mich menschlich macht«, sagte er. »Um die Menschen zu regieren, muss man sie verstehen. Und
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