Magnolia Steel – Hexennebel
Worten ließ sie ihre Nichte stehen und kümmerte sich um eine weinende Blumenelfe, deren mühsam gewonnene Flachsfaser an einer Brombeerranke zerrissen war.
Suchend glitten Magnolias Augen über die Wartenden. Jörna war leider noch immer nicht da. Schade! Dafür entdeckte sie Una, das Zwergenmädchen aus Hackpüffel. Sie war mit ihrem Vater hier und vertrieb sich die Warterei, indem sie eine Partie Mühle mit sich selbst spielte. Als sie Magnolia entdeckte, strahlte sie über das ganze sommersprossige Gesicht. »Hallo, Magnolia!«, rief sie. »Hast du Lust auf eine Runde Mühle? Es ist verflixt langweilig, ständig zu gewinnen!«
Magnolia grinste. »Ich fürchte, daran wird sich nichts ändern, wenn du gegen mich spielst. Ich bin eine lausige Mühle-Spielerin!«
Doch Magnolia war nicht so schlecht, wie sie dachte, und es machte Spaß, sich mit Una zu messen. Zwischendurch sah sie sich allerdings immer wieder nach Jörna um. Es wurde schon schummrig unter den Bäumen, und die Kobolde zündeten Feuerkörbe gegen die Kälte an, während die drei Spinnerinnen unermüdlich weiterarbeiteten. Magnolia konnte sich nicht erklären, wo ihre Freundin so lange blieb. Dann tauchte sie endlich auf. Jörna hatte ihre Mutter Miranda im Schlepptau und die reihte sich sofort in die Schlange der Wartenden ein.
»Jörna!«, rief Magnolia erleichtert und winkte ihre Freundin zu sich heran. »Wo hast du so lange gesteckt? Ich dachte schon, du hättest unser Date vergessen.«
Jörna schüttelte den Kopf. »Meine Großmutter hat heute ihren eigensinnigen Tag. Sie hat uns nicht gehen lassen, bevor wir nicht den großen Kamin in der Halle angefeuert und sie hineingesetzt haben. Du weißt, wie groß er ist und wie viel Holz man dafür braucht!«
Magnolia nickte. Sie kannte Jörnas Großmutter, eine uralte Kaminhexe, die die Gicht plagte. Und wenn sie ihren eigensinnigen Tag hatte, wie Jörna es ausdrückte, war sie unausstehlich.
»Du Ärmste«, sagte Magnolia bedauernd. »Una und ich spielen schon die siebte Partie Mühle.«
»Spielten«, berichtigte Una. »Denn du hast gerade deine letzte Mühle verloren.«
Magnolia sah Jörna verzweifelt an. »Ich habe keine Ahnung, wie sie das macht! Entweder ist sie eine Million Mal klüger als ich oder sie schummelt.«
»Unsinn!«, lachte Una und packte das Spielbrett ein. »Ich habe nur nicht so viele andere Dinge im Kopf wie du. Lass uns Schluss machen. Mir wird kalt.«
Magnolia war das recht. Sie verabschiedete sich von Una und machte sich mit Jörna auf die Suche nach ihrer Mutter. Da hörten sie Jeppes durchdringende Stimme. »Das ist die letzte Arbeit für heute!«, verkündete er. »Die Spinnerinnen sind müde. Ihr müsst morgen wiederkommen!« Sofort setzte unwilliges Murren ein.
»Ach nö, jetzt können wir wieder nach Hause gehen«, sagte Jörna enttäuscht. »Morgen kann sich meine Großmutter hier anstellen. Schließlich haben wir es ihr zu verdanken …«
»Warte. Ich glaube, deine Mutter hatte Glück!«, unterbrach Magnolia sie. »Sie wird zu den Spinnerinnen vorgelassen.«
Und wirklich. Miranda hatte es bis ganz nach vorne geschafft.
»Wie hat sie das denn hinbekommen?«, wunderte sich Jörna. »Da hat sie ihre Linzer Torte glücklicherweise nicht umsonst gebacken.«
Linette nickte Miranda freundlich zu, und die Spinnerinnen legten ein letztes Mal los.
Das Spinnrad klapperte, die Spindel tanzte und verwandelte auch Jörnas Flachs in pures Gold. Die junge Kaminhexe hielt die Luft an und wurde ganz rot vor lauter Glück. »Vier Spulen Gold«, flüsterte sie. »Es sieht aus, als wären wir auf einen Schlag reich.«
Magnolia grinste. »Da muss deine Mutter aber was springen lassen. Schließlich hätte sie ohne dich überhaupt nicht gewusst, dass auf eurem Hof magischer Flachs wächst.«
»Du sagst es. Ich werde gleich heute Abend nachfühlen, wie es mit einem Wellnessurlaub aussieht. Für zwei Personen! Du kommst selbstverständlich mit.«
Inzwischen war es unter den Bäumen vor Tante Linettes Haus vollständig dunkel geworden. Die Feuerkörbe knisterten, die Flusskobolde schenkten das letzte Wacholderbier aus, und irgendjemand spielte auf einer Geige leise eine zauberhafte Melodie. Die meisten Wartenden machten sich auf den Heimweg, und Magnolia und Jörna setzten sich auf die hölzernen Stufen eines Wohnwagens. Nachdenklich kraulte Magnolia Tokker das struppige Fell.
»Ich habe übrigens eine lange SMS von Elon bekommen«, sagte Jörna plötzlich und sah Magnolia
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