Magnolia Steel – Hexennebel
hatte. Allerdings waren sie alle bereits seit einigen Jahren tot. Als die Schwestern nach einem Gläschen Maulbeerwein die nötige Bettschwere hatten, marschierten sie vergnügt zurück zu ihren Wohnwagen, und auch Magnolia fühlte sich plötzlich ausgelaugt und müde. »Die drei Spinnerinnen müssen einen riesigen Bekanntenkreis haben«, stellte sie gähnend fest. »Woher kennen sie so wahnsinnig viele Menschen?«
Linette sah ihre Nichte unergründlich an. »Das ist ihr Geheimnis«, sagte sie.
Magnolia schlief in dieser Nacht schlecht. Was nicht zuletzt an ihren Nachbarn im Baumhotel lag. Das Schnarchen der Trolle war ohrenbetäubend, und der Streit, der mitten in der Nacht ausbrach, weil einer von ihnen aus der Hängematte fiel, war es nicht weniger.
Dreizehntes Kapitel
Allerleirauhs Ring
Die nächsten Tage erforderten Magnolias ganzes organisatorisches Talent. Es war nicht einfach, Schule, Hexunterricht und ihre Arbeit bei Meister Schnuck unter einen Hut zu bringen. Trotzdem gelang es ihr irgendwie, und Meister Schnuck traute sich bald, sie für ein paar Stunden allein im Geschäft zu lassen. Magnolia liebte diese Gelegenheiten. Vor allem, wenn das Wetter schlecht war und wenig Kunden kamen. Dann hatte sie genügend Zeit, in den magischen Büchern zu lesen, die Meister Schnuck zum Verkauf anbot. Bisher hatte sich noch niemand dafür interessiert, aber Magnolia fürchtete schon jetzt den Tag, an dem sie einen dieser Schätze hergeben musste. Für sie gab es nichts Schöneres, als in den vergilbten Seiten zu blättern und die Magie zu spüren, die ihr entgegenwehte.
Eines Tages, als Meister Schnuck ganz dringend zu einem Händler musste, um neuen Weihrauch zu kaufen, und Rauschwald im Regen versank, entdeckte Magnolia, dass die Vitrine, in der das Nekronomikon lag, nicht verschlossen war. Eine Sekunde lang kämpfte sie mit ihrem Gewissen, dann nahm sie es vorsichtig heraus und fing an, darin zu lesen. Es war erschreckend und faszinierend zugleich. Sie las von schwarzmagischen Ritualen und hörte das erste Mal vom Brot der lebenden Toten. Es war entsetzlich und verstörend. Gab man einem Verstorbenenvon diesem Brot zu essen, wie auch immer das geschehen sollte, wachte er auf und wurde zu einem Zombie. Ganze Armeen von Toten ließen sich mit diesem Brot zum Leben erwecken. Magnolia kroch eine Gänsehaut über den Rücken, und sie fühlte, dass ihr dieses Buch nicht guttat. Tante Linette würde ihr das unbegleitete Lesen schwarzmagischer Texte niemals erlauben. Plötzlich lag eine Schwere im Raum, die sie vorher nicht gespürt hatte. Mit steifen Fingern klappte sie das Buch zu und legte es zurück an seinen Platz.
In diesem Moment klingelte es unten im Laden. Insgeheim atmete Magnolia auf. Sie holte noch einmal tief Luft und stieg schnell in den Verkaufsraum hinunter. Dörte Däumling, die Inhaberin von Strickschick, der einzigen Damenboutique Rauschwalds, sah sich ungeduldig um.
»Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?«, begrüßte Magnolia die Kundin.
»Das will ich hoffen, junges Fräulein. Ich brauche ein paar Flaschen von Ihrem Raumduft ›Kassenschlager‹. Keine Ahnung, wie Herr Schnuck das macht, aber die Wirkung ist sensationell! Ein-, zweimal in der offenen Tür versprüht, und schon ist der Laden knüppeldicke voll! Dieser Duft saugt die Kunden von der Straße direkt in mein Geschäft. Und das Schönste daran ist, sie gucken nicht nur, sondern sie kaufen auch.« Frau Däumling strahlte.
»Wie viele Flaschen möchten Sie haben?«, fragte Magnolia und hoffte, dass Frau Däumling nicht ihre gesamten Vorräte aufkaufen wollte.
»Alle, die Sie auf Lager haben«, kam die prompte Antwort.
Magnolia führte sie zum Regal, in dem die Raumdüfte standen. Es waren nur noch zwei Fläschchen »Kassenschlager« da.
»Was, mehr nicht? Die habe ich ja ruckzuck versprüht! Habt ihr nicht noch mehr davon oder wenigstens größere Flaschen? Ein halber Liter sollte es schon sein. Schließlich will ich nicht jeden Tag vorbeikommen.«
Magnolia schüttelte den Kopf. »Diese Parfüms sind keine Massenware. Jeder Duft wird von Professor Schnuck eigenhändig hergestellt.«
»Gut, dann packen Sie mir die zwei Flaschen ein, Fräulein. Wann können Sie nachliefern?«
»Keine Ahnung!« Magnolia war die gierige Frau ziemlich unsympathisch.
»Keine Ahnung ist immer schlecht«, sagte Frau Däumling schnippisch. »Also gut, oder besser, nicht gut! Ich schicke in den nächsten Tagen meine Angestellte vorbei. Bitte reservieren Sie
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