Magnolia Steel – Hexennebel
Kinder? Wir werden alle Hände voll damit zu tun haben, auf uns selbst aufzupassen.«
»Er sucht nach Leander.«
»Äm, ja, und Jörna ist ja nun auch dabei«, meinte Elon.
Runa runzelte noch immer unwillig die Stirn. Doch Linette war auf ihrem Besen schon ein Stückchen nach vorne gerutscht. »Steig auf, und halte dich gut fest!«, sagte sie zu dem jungen Elfen. Und an Runa gewandt: »Ich erzähle dir die Geschichte, wenn wir unterwegs sind.«
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Spurensuche
Der Wald unter ihnen verschwamm bereits in der Dämmerung, als sie Rauschwald erreichten. Runa und Linette landeten hinter den hohen Mauern der Schule, die früher einmal ein Kloster gewesen war, und versteckten ihre Besen und Mäntel zwischen den Mülltonnen. Um diese Zeit brauchten sie keine Angst davor zu haben, entdeckt zu werden.
Elon konnte gar nicht schnell genug vom Besen steigen. Er gab es zwar nicht zu, doch er war wahnsinnig froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Schnell marschierten sie in Richtung Meister Schnucks Laden. Es war ein glücklicher Zufall, dass die Geschäfte bereits geschlossen hatten und nur noch wenige Menschen auf den Straßen unterwegs waren. Sie gingen dreimal am Laden vorbei und warfen unauffällige Blicke durch die Schaufenster. Alles blieb ruhig.
»Er scheint nicht da zu sein«, flüsterte Runa. »Ich kann ihn weder riechen noch seine Gedanken hören.«
»Riechen konnte ich ihn selbst dann nicht, als er beinahe vor mir stand!«, murrte Linette. Doch der Laden schien wirklich wie ausgestorben. Es war eine Kleinigkeit für Runa, das Türschloss mit dem Zauberstab zu öffnen. Mit einem leisen Klick sprang es auf, und die drei ungebetenen Besucher verschwanden eilig im Laden. Aufmerksam sahen sie sich um. Auf den ersten Blick konnten sie nichts Ungewöhnlichesfeststellen. Parfüms, Schmuck, bunte Tücher … Alles war an seinem Platz. Als Linette ihren Blick jedoch hoch zur Empore lenkte, stellte sie fest, dass dort oben gähnende Leere herrschte und sämtliche magische Bücher fehlten. Ein sicheres Zeichen, dass der Vogel ausgeflogen war. Nacheinander stiegen sie nun die steile Treppe hinunter, die in den Keller führte. »Lumier«, flüsterten sie, und die Zauberstäbe tauchten den ganzen Raum in ein bläuliches Licht. Linette schickte Elon, der ihnen folgen wollte, wieder fort. »Geh nach oben!«, flüsterte sie. »Sollte hier unten etwas schiefgehen, bist du vielleicht unsere einzige Rettung.«
Runas spöttischem Blick schenkte sie keine Beachtung. Linette war nicht der Meinung, dass der Elf nur eine zusätzliche Belastung war. Das blaue Licht der Zauberstäbe ließ die schaurigen Fresken an der Kellerdecke zu lebendigen Albträumen werden. Linette stellte sich gerade vor, wie diese Bilder wohl auf ein so junges Mädchen wie Magnolia wirken mussten, als Runa plötzlich geräuschvoll die Luft einsog. Im nächsten Moment stieg auch Linette ein seltsam stechender Geruch in die Nase. »Affodill!«, sagte sie und setzte zielstrebig ihren Weg in Richtung Labor fort. Die Unordnung, die dort herrschte, überraschte die Hexen. Tiegel und Reagenzgläser lagen zerbrochen am Boden, und ein Destillat hatte auf dem Tisch eine bräunliche Lache gebildet. In einem Kochtopf fanden sich die Überreste menschlicher Haare. Alarmiert sah Runa ihre Freundin an. »Wir hatten recht. Er hat das Brot der lebenden Toten tatsächlich gebacken!«, rief sie empört.
Linette nickte. »Und er ist kurz davor, in seinen neuen Körper zu schlüpfen«, flüsterte sie. »Die Kinder sind in höchster Gefahr!«
Bedrückt verließen die beiden Hexen den Raum. Von der Gefahr zu wissen, ihr aber nicht entgegentreten zu können, war schlimmer als alles andere. Auf dem Weg zur Treppe fiel ihnen der Vorhang auf, der ganz offensichtlich etwas verbarg. Mit einem Ruck zog Linette ihn zur Seite und spähte durch die offene Tür.
»Sieh da. Ein geheimer Raum«, murmelte sie.
»Und ein geheimer Gang«, sagte Runa grimmig.
Mit wenigen Schritten hatten die zwei Hexen den Raum durchquert und standen nun am Eingang des niedrigen Stollens.
»Hier hast du den Beweis!«, rief Runa triumphierend. »Es ist genau so, wie ich es dir gesagt habe. Und ich verwette all meine Warzen darauf, dass dieser Stollen direkt bis unter die Burg des Grafen führt.«
»Glaubst du, er hält die Kinder dort gefangen?«
Runa wiegte bedächtig den Kopf. »Die Burg existiert nicht mehr. Und die Spur der Kinder verliert sich mitten im Wald, aber
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