Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Magnus Jonson 01 - Fluch

Titel: Magnus Jonson 01 - Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
lächelte bei dem Gedanken. »Ich glaube, ich war ungefähr vierzehn Jahre alt. Wir waren in den Adirondacks wandern. Das tat ich am allerliebsten, wandern mit meinem Vater. Mein Bruder wollte nicht mit, deshalb waren wir zwei allein. Die ganze Woche haben wir nur isländisch miteinander geredet. Wir sprachen über alles Mögliche. Ich weiß noch genau, wo wir waren, am Ufer des Lake Raquette. Wir saßen auf einem Felsen, der wie ein Troll aussah, und aßen ein Sandwich.Dad erklärte mir, dass es in Island eine lange, verwickelte Geschichte über einen Troll gebe. Dann fragte ich ihn, ob er an Elfen glauben würde.«
    »Und? Was sagte er?«
    »Er wich der Frage ein bisschen aus. Aber ich ließ nicht locker. Er war Mathematiker, in seinem Leben drehte sich alles um Beweise, und es gab nun mal keine Beweise für die Existenz von Elfen. Er hielt mir einen langen Vortrag, dass es zwar keinen Beweis für die Existenz von Elfen gebe, aber ebenso wenig einen absoluten Beweis dagegen. Die Wissenschaft könne die Frage also nicht beantworten. Er meinte, auch wenn er nicht an Elfen glaube, sei er doch zu sehr Isländer, um ihre Existenz zu leugnen, und wenn ich je in Island lebte, würde ich das auch verstehen.«
    »Und jetzt, da du in Island lebst, glaubst du an sie?«
    Magnus lachte. »Nein. Und du?«
    »Meine Großmutter sah ständig und überall verborgenes Volk«, sagte Ingileif. »Zum Beispiel in dem Fels unweit des Bauernhofes, wo meine Mutter geboren wurde. An dem Abend vor der Geburt meiner Mutter kam sogar eine verborgene Frau zu ihr. Großmutter wollte dem Kind nämlich den Namen Boghild geben, aber die verborgene Frau sagte, das Kind würde früh sterben, wenn meine Großmutter ihm nicht den Namen Líney geben würde. Und so bekam meine Mutter den Namen Líney.«
    »Besser als Boghild«, sagte Magnus. »Die verborgene Frau hatte Geschmack.«
    »Hier, schau mal!«, sagte Ingileif und wies auf eine Karte mit Anmerkungen und Pfeilen. »Das war das Ziel der Männer an dem Wochenende, als mein Vater starb.« Eine Höhle in der Nähe eines Flusses war eingekreist, ungefähr zehn Kilometer entfernt von dem verlassenen Wikingerhof in Stöng.
    Ingileifs Handy klingelte. Als sie sich meldete, konnte Magnus eine aufgeregte Männerstimme hören, war aber nicht in der Lage, sie zu identifizieren.
    »Das war mein Bruder«, sagte Ingileif anschließend. »Offenbarsind gerade die beiden Ausländer, die die Saga kaufen wollen, im Neon aufgetaucht. Ein Amerikaner und ein Engländer. Sie haben nach dem Ring gefragt. Pétur hat sie rausgeworfen.«
    »Man sollte meinen, sie wären jetzt vernünftig genug, die Finger davon zu lassen.«
    »Das findet Pétur auch«, sagte Ingileif. »Er warnte mich, sie würden auch zu mir kommen. Er will nicht, dass ich ihnen irgendwas sage.«
    »Und?«
    »Tu ich auch nicht. Und für kein Geld der Welt bekommen sie die Saga, selbst wenn wir jemals die Möglichkeit haben sollten, sie zu verkaufen. Pétur ist da unnachgiebig, und ich bin seiner Meinung.« Sie schaute auf die Uhr. »Es ist gleich sieben Uhr. Inzwischen müsste der Pastor zurück sein. Sollen wir noch mal nachsehen?«

    Sie fuhren abermals hinaus nach Hruni, doch als sie klingelten, wurde die Tür wieder nicht geöffnet. Der Wagen des Pastors stand in der Garage. Sie schauten sich um, blickten in die Berge, ins Tal, ob sie irgendwo einen einsamen Wanderer entdecken konnten. Die tiefer stehende Sonne verströmte ein weiches, klares Licht, das die Landschaft bis ins letzte Detail ausleuchtete und dem Schnee auf den Bergen einen rosafarbenen Ton verlieh. Zwei Raben jagten sich in der Ferne, ihr Krächzen wurde vom Wind über das Grasland getragen. Doch nirgends war ein Mensch zu sehen.
    »Wann wird es momentan dunkel?«, fragte Magnus. »Halb zehn?«
    »Weiß ich nicht genau«, sagte Ingileif. »So um den Dreh herum. Jeden Tag etwas später.«
    »Hast du Hunger?«
    Ingileif nickte. »Ich weiß, wo wir etwas essen können.«
    »Dann machen wir das. Wir können ja hinterher noch mal wiederkommen.«
    »Und dann noch zurück nach Reykjavík fahren?«
    Magnus nickte.
    »Könnten wir«, sagte Ingileif. »Oder ...« Sie lächelte. Ihre grauen Augen schossen unter ihrem blonden Pony hin und her. Sie sah zum Anbeißen aus.
    »Oder was?«
    »Oder wir gehen morgen früh zu ihm.«

    Mit einem Schreck wachte Magnus auf. Er schwitzte. Im ersten Moment wusste er nicht, wo er war. Ihm gegenüber war ein Fenster, das er nicht kannte, hinter den dünnen

Weitere Kostenlose Bücher