Magnus Jonson 01 - Fluch
wollte mich entschuldigen«, sagte Magnus. »Ich habe mich wie der letzte Blödmann aufgeführt.«
»Allerdings.« Ingileifs Miene war kühl, fast ausdruckslos. Zwar nicht feindselig, aber auf keinen Fall erfreut, Magnus zu sehen. »Kann ich reinkommen?«, fragte er.
»Nein«, sagte Ingileif. »Du hast dich wirklich wie der letzte Blödmann benommen. Aber im Grunde genommen hattest du recht. Du verlässt Island in ein paar Tagen wieder. Es ist sinnlos, wenn wir uns beide noch tiefer auf die Sache einlassen.«
Magnus blinzelte. »Kann ich nachvollziehen. Das wollte ich dir jedenfalls damit sagen, auch wenn ich nicht so taktvoll war. Aber ...«
Ingileif hob die Augenbrauen. »Aber was?«
Magnus wollte ihr sagen, dass er sie mochte, dass er sie besser kennenlernen wollte, dass es vielleicht keinen Sinn ergab, aber richtig war, dass er einfach wusste, dass es richtig war. Aber Ingileifs graue Augen waren kalt. Nein, sagten sie ihm. Nein.
Er seufzte. »Ich bin sehr froh, dich kennengelernt zu haben, Ingileif«, sagte er. Dann beugte er sich vor, gab ihr einen raschen Kuss auf die Wange und verschwand in der zunehmenden Dunkelheit.
Árni saß in seinem Wagen, verkehrswidrig vor der Buchhandlung Eymundsson auf der Austurstræti geparkt, und rief auf der Dienst stelle an. Magnus war nicht mehr da. Er versuchte es auf Magnus’ Handy. Keine Antwort – das Telefon war abgestellt. Árni rief bei seiner Schwester an.
»Oh, hi, Árni«, sagte Katrín.
»Hast du Magnus gesehen?«
»Heute Abend noch nicht. Aber vielleicht ist er ja in seinem Zimmer. Ich kann mal eben nachgucken.« Árni trommelte mit den Fingern aufs Armaturenbrett, während seine Schwester in Magnus’ Zimmer nachschaute. »Nein, er ist nicht da.«
»Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?«
»Woher soll ich das denn wissen?!«, empörte sich Katrín. »Bitte, Katrín! Weißt du vielleicht, wo er abends hingeht?«
»Eigentlich nicht. Doch, warte, ich glaube, er war schon mal im Grand Rokk.«
»Danke.« Árni legte auf und fuhr schnell zum Grand Rokk. Zwei Minuten später war er da.
Er musste unbedingt mit Magnus sprechen. Árni hatte nachgeschaut: Er hatte tatsächlich einen Fehler gemacht. Árni wusste jetzt, wer Agnar umgebracht hatte.
Er parkte direkt vor der Kneipe und lief hinein, zeigte dem Barkeeper seine Polizeimarke und fragte, ob er Magnus gesehen habe. Hatte er. Der lange Kerl sei vor einer Viertelstunde gegangen.
Árni sprang wieder ins Auto und fuhr die Straße hinauf zur Hallgrímskirkja. An der Kreuzung hielt er an. Vor ihm ging ein Mann in einem weiten Kapuzensweater über die Straße. Er war ziemlich groß, dünn, hatte braune Haut und lief sehr zielstrebig. Irgendwie kam er Árni bekannt vor.
Es war der Typ aus der Ankunftshalle am Flughafen Keflavík. Der Amerikaner, auf den der litauische Drogenhändler gewartet hatte.
Die Straße war leer. Der Latino beschleunigte zu einem forschen Schritt. Er zog sich die Kapuze über den Kopf.
Als Árni die Kreuzung überquerte und den Hügel hinauffuhr, entdeckte er Magnus, der langsam die Straße entlangschlurfte, den Kopf gesenkt, in Gedanken versunken. Árni war müde. Er brauchte einige Sekunden, bis er merkte, was vor sich ging. Er bremste, schaltete in den Rückwärtsgang und raste den Hügelhinunter. Er fuhr gegen ein geparktes Auto, warf die Tür auf und sprang hinaus.
»Magnus!«, rief er.
Magnus blieb stehen. Drehte sich um. Der Latino ebenfalls.
Der Latino war höchstens zwanzig Meter entfernt. Er griff vorn in die Tasche seines Sweatshirts.
Árni lief los.
Er sah, wie der Latino die Augen aufriss. Die Pistole hervorholte. Sie anhob.
In dem Moment, als der Schuss fiel, warf Árni sich nach vorn.
Magnus wirbelte herum, als er das Geräusch von kreischendem Metall hörte. Er sah, wie Árni aus seinem Wagen sprang, hörte ihn rufen und sah, wie er auf eine große Gestalt in einem grauen Kapuzenshirt zulief.
Magnus stürzte hinzu, als Árni den Mann zu Boden warf. Er hörte einen Schuss, gedämpft durch Árnis Körper. Der Mann rollte unter Árni hervor und drehte sich zu Magnus um. Auf dem Boden liegend hob er seine Pistole.
Magnus war gut sieben Meter entfernt. Er konnte den Kerl nicht mehr erreichen, bevor er abdrückte.
Zwischen zwei Häusern links von ihm war eine Lücke. Magnus machte einen Ausfallschritt und drückte sich dazwischen. Noch ein Schuss, das Projektil prallte von einer Metallverkleidung ab.
Magnus fand sich in einem Garten wieder, vor ihm und auf
Weitere Kostenlose Bücher