Magnus Jonson 01 - Fluch
los!«
Magnus war überzeugt, dass es in Island fachkundige Ärzte gab. Aber er machte sich Sorgen, sie könnten zu wenig Erfahrung mit Schussverletzungen haben. Zu Hause, im Boston Medical Center, nähten sie fast den ganzen Freitag- und Samstagabend Einschusslöcher zu.
Er entschied sich, das Katrín gegenüber nicht zu erwähnen.
Vor dem Wartezimmer tat sich etwas; Baldur stürzte herein. Magnus hatte ihn schon wütend erlebt, aber noch niemals so wütend wie jetzt.
»Wie geht’s ihm?«, fragte er.
»Er wird jetzt operiert«, erklärte Magnus. »Das Projektil ist immer noch im Körper, sie versuchen es herauszufischen.«
»Schaff t er es?«
»Das hoffen sie«, sagte Magnus.
»Ich habe ein paar Fragen an dich.« Mit deutlichem Missfallen drehte sich Baldur zu Katrín um. Sie war zwar nicht in ihren kompletten Ausgehstaat gekleidet, doch ein bisschen Metall glitzerte trotzdem in ihrem Gesicht. »Kannst du uns mal kurz entschuldigen?«
Katrín runzelte die Stirn. Magnus spürte, dass sie auf der Stelleeine Abneigung gegen seinen Kollegen empfand und nicht in der Stimmung war, sich herumkommandieren zu lassen.
»Sie kann hierbleiben«, sagte Magnus. »Sie hat ebenso viel Recht, hier zu sein, wie wir. Sogar noch mehr. Gehen wir vor die Tür und erledigen es da.«
Baldur funkelte Katrín finster an. Katrín schaute böse zurück. Die beiden Männer gingen nach draußen in den Gang.
»Weißt du, warum auf einen meiner Polizeibeamten geschossen wurde?«, fragte Baldur, und sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von Magnus entfernt.
»Ja.«
»Nämlich?«
»Ich bin Zeuge in einem großen Polizeikorruptionsprozess in Boston. Es gibt Leute, die mich tot sehen möchten. Dominikanische Drogenhändler. Deshalb wurde ich hierher abkommandiert. Jetzt haben sie mich anscheinend gefunden.«
»Und warum hast du mir nichts davon erzählt?«
»Der Polizeichef fand, je weniger Personen Bescheid wüssten, desto geringer sei die Gefahr eines Lecks.«
»Das heißt, er wusste Bescheid?«
»Sicher.«
»Wenn Árni stirbt, dann werde ich ...« Baldur fiel nicht so schnell eine überzeugende Drohung ein.
»Ich habe mich bei Árnis Schwester entschuldigt, und ich entschuldige mich auch bei dir«, sagte Magnus. »Es tut mir leid, dass ich den Killer hierher gelockt habe. Ich bringe meine Mitmenschen in Gefahr. Ich gehe besser wieder.«
»Ja, das wäre gut. Am besten sofort. Ich möchte, dass du das Krankenhaus verlässt, hier kannst du sowieso nichts ausrichten. Geh zurück zur Dienststelle und gib eine Zeugenaussage ab. Die warten schon auf dich.«
Magnus hatte nicht die Kraft zu streiten. Er wäre am liebsten geblieben, um zu erfahren, was mit Árni geschah, aber auf gewisse Weise hatte Baldur recht. Es war besser, wenn er ging.
Magnus streckte den Kopf ins Wartezimmer. »Ich muss jetzt los«, sagte er zu Katrín. »Sag mir Bescheid, wenn es was Neues gibt, so oder so.«
»Hat dich der Gestapo-Typ mit der Glatze nach Hause geschickt, oder was?«
Magnus nickte. »Er ist ein bisschen angespannt. Verständlicherweise.«
»Hm.« Katrín schien unbeeindruckt. »Ich ruf dich an, wenn’s Neuigkeiten gibt.«
Magnus schlief schlecht. Zum Glück träumte er nicht, doch er rechnete die ganze Nacht mit dem Klingeln des Telefons. Es klingelte nicht.
Um sechs Uhr stand er auf und rief im Krankenhaus an. Er wollte sich nicht bei Katrín auf dem Handy melden, falls es ihr gelungen sein sollte, eine Mütze Schlaf zu bekommen. Die Operation war abgeschlossen, das Projektil entfernt. Árni hatte viel Blut verloren, aber er lebte. Man war vorsichtig optimistisch – die Betonung lag auf »vorsichtig«. Aber Árni war noch nicht wieder bei Bewusstsein.
Magnus ging die Straße hinunter zur Dienststelle. Es war ein grauer, windiger, düsterer Tag in Reykjavík. Kalt, aber nicht eisig.
Im Raum der Abteilung Gewaltverbrechen hielten sich zwei, drei Kollegen auf. Magnus nickte ihnen zu, und sie grüßten lächelnd zurück. Er war darauf vorbereitet, die Feindseligkeit der anderen an sich abprallen zu lassen, und erleichtert, dass es nicht nötig zu sein schien.
Vigdís kam mit einer Tasse Kaffee zu ihm. »Ich vermute, du kannst einen gebrauchen.«
»Danke«, sagte Magnus lächelnd. Und dann: »Tut mir leid, das mit Árni.«
»Es ist nicht deine Schuld«, sagte Vigdís.
»Wissen wir schon, wer das war?«
»Nein. Der Typ hat einen amerikanischen Reisepass, aber der ist mit großer Sicherheit gefälscht. Er macht den Mund nicht
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