Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Magnus Jonson 01 - Fluch

Titel: Magnus Jonson 01 - Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
stimmt«, sagte Magnus. »Das fand ich immer schon toll an Frauen, besonders am Sonntagmorgen.«
    Schweigend fuhren sie weiter, querten die freitragende Brücke über die Ölfusá und folgten der Straße durch die Stadt Selfoss.
    »Wie lange bist du noch in Island?«, wollte Ingileif wissen.
    »Ich dachte, ich würde mehrere Monate hierbleiben, aber jetzt sieht es aus, als würde ich nächste Woche zurück in die Staaten fliegen, um in einem Prozess auszusagen.«
    »Kommst du danach zurück?«
    »Wenn irgend möglich, nicht«, sagte Magnus.
    »Oh, magst du Island nicht?« Ingileif klang gekränkt. Das war kaum verwunderlich; es gab keine bessere Möglichkeit, einen Isländer zu beleidigen, als sein Land verächtlich zu machen.
    »Doch, ich mag es wirklich. Es ruft nur unangenehme Erinnerungen hervor. Und bei der Polizei von Reykjavík läuft es auch nicht gerade gut. Ich komme mit dem Chef nicht richtig klar.«
    »Hast du eine Freundin zu Hause in Boston?«, fragte Ingileif.
    »Nein«, sagte Magnus und dachte an Colby. Wenn er jemals eine Exfreundin gehabt hatte, dann sie. Am liebsten hätte er Ingileif gefragt, warum sie das wissen wollte, aber das kam ihm unverschämt vor. Vielleicht war sie einfach nur neugierig. Isländer stellten immer direkte Fragen, wenn sie eine Antwort bekommen wollten.
    »Guck mal, da ist Hekla!«
    Ingileif zeigte nach vorn auf den breiten, kräftigen weißen Kamm von Islands berühmtestem Vulkan. Er besaß nicht die Kegelform klassischer Vulkane und war viel wilder als beispielsweise der hübschere Fuji. In den vergangenen vierzig Jahren war Hekla viermal ausgebrochen, durch einen Riss, der sich längs des Kammes zog. Und alle paar Jahrhunderte ereignete sich ein ganz großer Ausbruch. Wie der im Jahr 1104, der Gauks Bauernhof in Stöng unter Asche begraben hatte.
    »Wusstest du, dass es in Boston und Umgebung Zimtgebäck gibt, das Hekla heißt?«, fragte Magnus. »Das sind kleine Schnecken, die mit Zuckerguss überzogen sind. Sehen genauso aus wie der Vulkan.«
    »Explodieren die auch in unregelmäßigen Abständen, wenn man sie essen will?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Dann sind das keine richtigen Heklas. Eine echte Hekla ist nämlich ein bisschen unberechenbarer.« Ingileif grinste. »Ich kann mich noch an den Ausbruch von 1991 erinnern. Ich war zehn, elf Jahre alt. Von Fluðir aus kann man Hekla nicht richtig sehen, aber ich hatte eine Freundin, die auf einem Hof einige Kilometer weiter südlich lebte, und von da hatte man einen super Blick auf den Berg. Es war unglaublich. Es war im Januar, mitten in der Nacht. Der Vulkan glühte in Rot und Orange, und gleichzeitig sah man einen grünen Streifen Nordlicht darüber schweben. Das werde ich nie vergessen.«
    Ingileif schluckte. »Das war ein Jahr vor dem Tod meines Vaters.«
    »Als das Leben noch normal war?«, fragte Magnus.
    »Genau«, sagte Ingileif. »Als das Leben noch normal war.«
    Der Vulkan erhob sich immer höher vor ihnen, je näher sie kamen, dann bogen sie nach Norden und verloren ihn hinter den Ausläufern aus dem Blick. Zwei Kilometer vor Fluðir gelangten sie an die Abzweigung nach Hruni. Sie bogen rechts ab, und die Straße wand sich einige Kilometer durch die Hügellandschaft, bevor sie in ein Tal mündete. Die kleine weiße Kirche von Hruni stand unter einem Felsvorsprung, daneben ein Haus und ein Gehöft.
    Sie hielten auf dem leeren Schotterparkplatz vor der Kirche. Magnus stieg aus dem Wagen. Der Ausblick nach Norden, zu den Gletschern in weiter Ferne, war atemberaubend. Kiebitze jagten sich zwitschernd über die Felder. Ansonsten war es still. Friedlich.
    Magnus und Ingileif näherten sich dem Pfarrhaus, einem für isländische Verhältnisse großen Gebäude mit einem roten Dach,und drückten auf die Klingel. Nichts geschah. In der Garage stand ein roter Suzuki.
    »Komm, wir schauen in der Kirche nach«, schlug Ingileif vor. »Schließlich ist er ja Pastor.«
    Als sie über den alten Friedhof gingen, wies Ingileif auf eine Reihe neuerer Grabsteine: »Da liegt meine Mutter.«
    »Möchtest du hingehen?«, fragte Magnus. »Ich kann warten.«
    »Nein«, erwiderte Ingileif. »Nein, das fühlt sich nicht richtig an.« Sie lächelte schüchtern zu Magnus hinüber. »Ich weiß, dass es sich dumm anhört, aber ich will sie nicht in diese Sache mit reinziehen.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte Magnus.
    So gingen sie zur Kirche und betraten sie. Sie war warm und wirklich hübsch. Und sie war leer.
    Auf dem Weg zurück

Weitere Kostenlose Bücher