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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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den vergangenen zwanzig Jahren getan hat. Du hast gesagt, der Mord an deinem Vater würde dich umtreiben, aber es steckt mehr dahinter, nicht?«
    Magnus antwortete nicht.
    »Das stimmt doch, oder? Sag etwas, Magnús!«
    »Nein.«
    »Antworte mir!«
    »Ingileif?«
    »Ja?«
    »Halt einfach den Mund!«
    Einhundertsiebzig Kilometer können sehr lang werden, wenn man nicht miteinander spricht, selbst wenn man die Geschwindigkeitsbegrenzung um dreißig Stundenkilometer überschreitet.

    Er bog mit dem Motorrad von der Nebenstraße ab auf einen noch schmaleren Weg, nicht viel mehr als ein Pfad mit einem Asphaltstreifen in der Mitte, und hielt an, um einen Blick auf seine Michelinkarte zu werfen. Er konnte nicht fassen, wie viele Bäume es in diesem Land gab, insbesondere Apfelbäume. In Island kannte man so etwas nicht. Er hätte gern einen Apfel in dem kleinen Obstgarten am Wegesrand gepflückt, aber zum Essen hätte er den Helm absetzen müssen, und das wollte er nicht.

    Er wusste ganz genau, wo er war. Zu Hause hatte er die Karte stundenlang studiert und sie mit Google Earth abgeglichen, bis sich dieser kleine Abschnitt der Normandie in sein Hirn eingebrannt hatte. Hinter dem Obstgarten bog die Straße auf jeden Fall nach links. Auf der einen Seite waren kleine Weiden, auf der anderen war Wald.
    Er ließ den Motor wieder an und fuhr langsam und ruhig weiter. Er konnte niemanden sehen. Das war gut. Das Motorrad hatte holländische Kennzeichen, was ihm das Gefühl gab, hier in Frankreich aufzufallen. Daran hätten sie denken sollen, doch solange ihn niemand sah, war das ja egal.
    Er zählte die Telefonmasten entlang der Straße ab. Beim siebten blieb er stehen und schob das Motorrad in den Wald auf der anderen Seite. Einige Minuten verwandte er darauf sicherzustellen, dass es von der Straße aus nicht zu sehen war, aber dennoch für ein schnelles Entkommen bereitstand.
    Gute zwanzig Meter kämpfte er sich durch die Bäume, bis er auf der anderen Seite herauskam. Eine Herde Kühe auf einem kleinen Feld käute wieder, ihre Schwänze peitschten die Fliegen beiseite. Hinter dem Feld war die Scheune.
    Er ging einige Meter am Waldrand entlang, bis er den Baum fand, nach dem er suchte. Ein Meter über dem Grund war ein B hineingeritzt. B für Bjartur, obwohl das nur er wusste, die französische Polizei hätte keine Ahnung, wofür der Buchstabe stand, wenn sie ihn entdeckte. Der frisch umgegrabene Boden befand sich fünf Meter westlich des Baumes und war halb unter einem abgebrochenen Ast versteckt.
    Er ließ seinen Rucksack vom Rücken gleiten, holte eine Schaufel heraus und begann zu graben. Die Erde löste sich leicht, und innerhalb weniger Minuten hatte er eine Plastiktüte freigelegt, die Gewehr und Munition enthielt.
    Ein Remington 700. Er grinste. Dann zog er das Gewehr heraus und prüfte die Mechanik. Alles funktionierte reibungslos.
    Er holte sein Fernglas hervor und beobachtete die Scheune. Das
große Gebäude war in ein Ferienhaus umgewandelt waren. Dahinter stand das Bauernhaus, von dem man früher einmal Zugang zur Scheune gehabt hatte. Es war ein sonniger Nachmittag, deshalb brannten keine Lampen im Haus, doch eine Tür zum Garten war offen. Im Garten standen zwei Stühle, auf dem Sitz des einen lag ein aufgeschlagenes Buch. Auf dem Kiesstreifen vor dem Haus war ein Wagen geparkt, nur einer, also waren keine Leibwächter da. Hervorragend. Es war ein Audi Kombi; so gerade konnte er das Nummernschild erkennen – englisch, nicht französisch.
    Die Entfernung war nur schwer präzise einzuschätzen, aber er meinte, mit hundertfünfundzwanzig Metern ungefähr richtigzuliegen. Der Stuhl schien genauso weit von ihm entfernt zu sein wie der Benzinkanister am vergangenen Vormittag in dem Bergtal.
    Er fand eine gute Stelle, wo er sich hinlegen und den Lauf des Gewehrs auf einem Stück Holz abstützen konnte. Er wartete. Es war ein sonniger Tag. Die französische Septembersonne war deutlich stärker als die Sonne in Island. Ihm wurde unangenehm warm in seiner Motorradkluft. Wenn nötig, würde er bis zum Einbruch der Nacht warten, auch wenn er optimistisch war, dass es nicht so lange dauern würde.
    Im Kopf ging er die Flucht noch einmal durch. Er musste darauf achten, das Motorrad mit gleichbleibender gemäßigter Geschwindigkeit zu fahren, damit er keine Aufmerksamkeit erregte. Es waren fünfzehn Kilometer bis zu dem abgelegenen, mit Wasser vollgelaufenen Steinbruch, in den er den Plastiksack mit Gewehr, Schaufel, Fernglas

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