Magnus Jonson 02 - Wut
wahrscheinlich eine Weile, bis sie die auftreiben.«
»Danke, Vigdís.«
Während sie telefonierte, um die Überwachungsvideos zu organisieren, verfasste Magnus eine E-Mail an einen seiner alten Kumpels von der Mordkommission in Boston, in der er ihn bat, bei der amerikanischen Einwanderungsbehörde Informationen über den Juli 1996 einzuholen. Dann rief er im Archiv an.
Árni kam hereingeweht. »Morgen, Magnús! Schönes Wochenende? Alles ruhig hier?«
»Setz dich mit Vigdís in Verbindung«, sagte Magnus. »Ihr habt noch was vor euch.«
Ísak ließ die Brotscheiben aus dem Toaster springen, strich Butter und Marmelade darauf. Es war eine englische Angewohnheit, die er übernommen hatte. Das Leben im Haus an der Mile End Road, das er mit vier weiteren Studenten bewohnte, begann mit Toast. Und Nescafé. Der Wasserkessel kochte, Ísak bereitete sich eine Tasse zu.
»Hi!«
Seine Freundin Sophie kam in Schlafanzughose und einem alten T-Shirt mit der Aufschrift »Save Darfur« in die Küche geschlurft.
»Ich dachte, du hast erst um zwölf die erste Vorlesung?«
»Ich muss unbedingt noch vorher in die Bibliothek«, sagte sie. »Ich kann es nicht länger vor mir herschieben.« Sie setzte sich auf Ísaks Schoß und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. »Guten Morgen«, sagte sie und küsste ihn noch mal, jetzt inniger.
Ísak grinste und fuhr mit der Hand über ihre Brust. Sie trug keinen BH.
Kurz ließ Sophie seine Hand dort ruhen, dann entwand sie sich ihm und stand auf. »Nein. Disziplin! Ich brauche Selbstdisziplin.« Sie öffnete den Schrank und suchte darin herum. »Willst du noch eine Scheibe Toast, Zak?«
»Ja, danke.«
Es klingelte an der Tür.
»Ich geh schon«, sagte Sophie. Es klingelte erneut. »Schon gut, schon gut. Die wachen noch alle auf«, meckerte sie, doch ihre Stimme war zu leise, als dass derjenige vor der Tür sie gehört hätte.
Sophie öffnete.
»Polizei«, sagte eine autoritäre Frauenstimme. »Detective Sergeant Piper von der Kriminalpolizei Kensington. Ist Ísak Samúelsson zu Hause?«
Ísak erstarrte in der Küche.
»Ähm. Ich weiß nicht«, erwiderte Sophie überrascht.
»Schon gut, Sophie!«, rief Ísak und trat in den Flur. »Kommen Sie rein!« Er führte die Polizeibeamtin in die Küche. »Setzen Sie sich doch! Möchten Sie einen Kaffee?«
»Nein, danke«, sagte Sergeant Piper und nahm den Stuhl, von dem Sophie aufgestanden war.
Das Mädchen setzte sich einen Stuhl weiter und sah den Gast düster an.
»Um was geht es denn?«, fragte Ísak, so unbeteiligt er konnte.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich allein mit Ísak unterhalte?«, sagte Piper zu Sophie.
»Und ob mir das was ausmacht!«, gab Sophie zurück, die jetzt wach wurde. »Was nehmen Sie sich eigentlich heraus? Das ist unsere Küche!«
Piper seufzte.
»Schon gut, Soph«, sagte Ísak. »Ich weiß zwar nicht, worum es geht, aber es dauert bestimmt nicht lange.«
»Na gut«, grummelte Sophie. »Aber ich will meinen Toast haben.«
Als sie die Küche verlassen hatte, lächelte Ísak. »Tut mir leid. Wir haben in diesem Jahr einen Kurs über europäische Menschenrechte. Und Sophie ist Mitglied bei Amnesty. Bei so was regt sie sich schnell auf.«
»Frühstück ist was Wichtiges«, sagte Piper grinsend. »Ich möchte Sie gern nach letzter Woche fragen.«
»Da war ich in Reykjavík«, erklärte Ísak.
»Das wissen wir.«
»Es geht um Óskar Gunnarsson, nicht?«, sagte Ísak. »Meine Mutter hat mir erzählt, dass die isländische Polizei sich nach mir erkundigt hat.«
Piper stellte Ísak verschiedene Fragen über seine Aktivitäten in der vergangenen Woche. Er antwortete ruhig und gefasst. Am Mittwochabend war er mit alten Freunden von der Highschool unterwegs gewesen, das war schon fast alles. Piper notierte sich Flugdaten, Namen und Adressen.
»Kannten Sie Óskar Gunnarsson?«, wollte sie wissen.
»Nein«, sagte Ísak. »Ich meine, ich wusste natürlich, wer er war. Aber ich habe ihn nie kennengelernt.«
»Ganz bestimmt nicht?«, hakte Piper nach und beugte sich vor.
»Wahrscheinlich habe ich ihn beim alljährlichen Þorrablót der isländischen Gesellschaft hier in London gesehen«, erklärte Ísak. »Aber ich habe mich nicht mit ihm unterhalten.«
»Þorrablót?«
»Das ist ein Winterfest. Eine große Feier – dazu gehört traditionelles Essen. Sie wissen schon: Schafsköpfe, Walspeck, Hammelhoden, fermentierter Hai. Für Isländer ist das was ganz Besonderes.«
»Hört sich ekelhaft
Weitere Kostenlose Bücher