Magnus Jonson 02 - Wut
an.«
»An den Geschmack muss man sich gewöhnen. Das Essen bei dem Fest in London ist immer ziemlich gut.«
Piper schien Ísak genau unter die Lupe zu nehmen. »Sie haben nicht zufällig versucht, Óskar Gunnarsson vor ein paar Wochen etwas zu bringen? Vorletzten Freitag?«
»Ihm etwas zu bringen?«
»Ja. Eine Zeugin sah jemanden in Onslow Gardens von Haus zu Haus gehen, der Gunnarsson suchte. Die Beschreibung passt auf Sie.«
»Das war ich nicht.«
»Ganz bestimmt nicht?«
Ísak schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.«
Piper wartete. Lange Zeit sprachen weder sie noch Ísak. Dann stand sie auf. »Gut, das wär’s fürs Erste. Danke, dass Sie meine Fragen beantwortet haben.«
Ísak erhob sich ebenfalls. »Keine Ursache.«
»Gehen Sie heute zur Uni?«
»In gut einer Stunde habe ich Vorlesung. Ich muss gleich los.«
Piper reichte ihm ihre Visitenkarte. »Na, wenn Ihnen wegen Óskar Gunnarsson noch etwas einfällt, rufen Sie mich an!«
Magnus bog von der aus Reykjavík kommenden Hauptstraße auf die Árbær ab, wo sich die Polizeiakademie befand. Da klingelte sein Handy. Er meldete sich.
»Hallo, Magnus, hier ist Sharon.«
»Hi! Wie geht’s dir?«
»Ich habe gerade mit deinem Freund Ísak gesprochen.«
»Und?«
»Er war letzte Woche in Reykjavík. Er hat mir die Namen und Telefonnummern von Leuten genannt, mit denen er sich dort getroffen hat. Kurz gesagt, war er so gut wie die ganze Zeit zu Hause, nur am Mittwochabend war er unterwegs.«
»Mail mir doch die Namen, dann überprüfen wir sie hier«, sagte Magnus. »Hat er gesagt, warum er hier war?«
»Angeblich wuchs es ihm an der Uni über den Kopf, er brauchte eine Pause.«
»Das ist doch Schwachsinn«, sagte Magnus. »Klingt aber sehr praktisch. Fast so, als würde er sich vorsorglich ein Alibi verschaffen.«
»Kann sein«, sagte Sharon. »Es gibt noch was.«
»Ach ja?«
»Die Beschreibung des Kuriers, der Gunnarssons Haus gesucht hat, passt auf ihn: Anfang zwanzig, fünf Fuß neun, rundes Gesicht, blaue Augen, Kerbe im Kinn.«
»Interessant«, bemerkte Magnus. »Kannst du ihn einwandfrei identifizieren lassen?«
»Ich stehe jetzt vor seinem Haus. Er muss gleich zur Uni, dann mache ich ein Foto. Und zeige es der Zeugin. Die Frau ist auf Draht; wenn er es ist, dann sieht sie es.«
»Super. Ähm, Sharon?«
»Ja?«
Magnus holte tief Luft. »Ist es vielleicht möglich, dass du noch mal mit ihm sprichst?«
»Denke schon. Ich kann ihn mir schnappen, wenn er rauskommt und ich das Foto gemacht habe.«
»Könntest du ihn fragen, wo er gestern war? Überprüf mal, ob er in London war.«
»Warum?« Dann fiel der Groschen. »Meinst du Julian Lister?«
»Vielleicht«, entgegnete Magnus.
»Du meinst, er könnte auf Lister geschossen haben?«
»Eigentlich nicht. Ist eine abseitige Idee. Als du hier warst, hast du ja gehört, wie unbeliebt Lister in Island ist.«
»Hast du irgendwelche Beweise?«
»Nein. Null. Ist nur so eine Vermutung, sogar weniger als das. Sprich bitte mit niemandem drüber. Es wäre halt interessant, wenn sich herausstellte, dass unser junger Student am Wochenende in Frankreich war.«
»Allerdings.« Sharon überlegte. »Hör mal, falls die Möglichkeit besteht, dass es irgendwas mit Island zu tun haben sollte, dann muss ich das weitergeben.«
»Bitte nicht, Sharon! So weit sind wir noch nicht. Sobald die Isländer glauben, dass die Briten sie für Terroristen halten, gibt es einen neuen Kabeljaukrieg, glaub mir.«
»Ich weiß nicht.«
»Hör zu, es gibt keine Beweise, nicht mal einen Verdacht.«
»Aber trotzdem hättest du gern, dass ich mit Ísak rede.«
»Ja.«
Es herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann hörte Magnus Sharon seufzen. »Gut. Ich sag dir Bescheid, was er gesagt hat. Ach, übrigens: Die Londoner Polizei hatte dreißig Millionen bei einer isländischen Bank investiert.«
»Oh.«
Magnus legte auf und fuhr auf den Parkplatz der Polizeiakademie an der Krókháls. Er befand sich in einem Industriegebiet und wurde gleichzeitig von einer Softwarefirma und einem Sportfachgeschäft genutzt. Als Magnus den Motor ausstellte, klingelte sein Telefon erneut. Es war Vigdís.
»Magnús, kannst du zurück aufs Revier kommen?«
»Wann?«
»Jetzt. Du solltest dir mal was ansehen.«
22
Magnus, Árni und Vigdís drängten sich um Vigdís’ Schreibtisch und starrten auf ihren Monitor. Der Lautsprecher war ausgestellt: Die drei wollten Baldurs Aufmerksamkeit nicht über Gebühr auf sich
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