Magnus Jonson 02 - Wut
nicht richtig zu sehen. Aber ich kann noch mal die anderen Filme durchschauen, vielleicht erkenne ich ihn auf einem.«
»Ich wette, das ist Ísak«, sagte Magnus. »Sharon hat in London ein Foto von ihm gemacht. Ich sag ihr, dass sie es uns schicken soll.«
»Es müsste auch eins von ihm in der Führerscheindatenbank geben«, sagte Árni. »Ich schau mal nach.« In der Datenbank war ein
Foto jedes Isländers abgespeichert, der einen Führerschein besaß. Die Polizei hatte Zugang dazu. Äußerst praktisch.
Magnus stellte sich hin. »Ich nehme an, die Adresse von diesem Sindri ist bekannt?«
»Hverfisgata«, erwiderte Vigdís. »Direkt beim Skuggahverfi.«
»Komm, Vigdís«, sagte Magnus. »Wir unterhalten uns mit ihm. Árni, kümmer dich um die Fotos!«
Als sie das Büro verließen, stießen sie auf Baldur. »Magnús? Ich dachte, du wärst auf der Akademie!«
»Bin gerade zurückgekommen«, entgegnete Magnus lächelnd. »Muss weiter.« Zusammen mit Vigdís eilte er aus dem Gebäude.
Es war ruhig in der Bäckerei. Harpa sah auf, als sich die Tür öffnete. Sofort erkannte sie das eintretende Pärchen.
»Hallo, Frikki«, sagte sie.
»Hallo, Harpa«, grüßte Frikki. Zusammen mit seiner Begleiterin prüfte er das Angebot in der Theke. Er entschied sich für ein kleina , seine mollige Freundin nahm ein Eclair.
Frikki zahlte. Harpa gab ihm das Wechselgeld.
Er zögerte. Seine Freundin sah ihn auffordernd an. »Hast du die Nachrichten gesehen?«, fragte er.
»Wegen dem britischen Minister?«
»Ja.«
»Hab ich.«
»Können wir darüber reden?«
Harpa schaute sich um. Es waren keine Kunden im Geschäft. Dísa war hinten und überzog einen Geburtstagskuchen mit Zuckerguss. »Okay«, sagte sie. Die drei begaben sich zu einem Tisch in der Ecke.
»Harpa, das ist Magda, meine Freundin«, sagte Frikki.
»Guten Morgen«, sagte die dickliche Frau mit schwerem Akzent. Sie lächelte. Harpa nickte ihr zu.
»Was denkst du?«, fragte Frikki. »Über Lister?«
»Egal was für ein Kotzbrocken er war, er hat es nicht verdient zu sterben«, sagte Harpa.
»Nein. Natürlich nicht. Aber, na ja …«
Frikkis Freundin machte eine ruckartige Bewegung, und er zuckte zusammen. Sie hatte ihn unter dem Tisch getreten. »Als wir es gestern Abend in den Nachrichten sahen, hab ich mir so meine Gedanken gemacht. Wegen der Sache damals im Januar. Und …«
»Und was?«
»Na, haben die das vielleicht getan?«
»Wen meinst du mit die ?«
»Du weißt, wen ich meine. Die anderen. Björn. Sindri. Der Student. Die halt. Was ist, wenn die sich zusammengetan und beschlossen haben, Julian Lister umzubringen? Und Óskar?«
»Quatsch«, sagte Harpa. »Warum sollten sie?«
»Warum sie das sollten? Na, sie haben ja schließlich davon gesprochen. Stimmt doch, oder? Was sie gern mit den Bankern anstellen würden. Und mit Julian Lister.«
»Das war doch bloß Gerede«, sagte Harpa.
»Sicher? Ich meine, was wir mit deinem Freund gemacht haben … Ich meine, wir haben …« Frikkis Stimme wurde zu einem Flüstern.
»Du meinst, was ich getan habe«, sagte Harpa.
»Nein, nein, Harpa. Wir. Ich habe viel darüber nachgedacht. Wir wissen nicht, wer von uns beiden ihn letztlich getötet hat, oder? Vielleicht warst du es, vielleicht aber auch ich. Ich habe ihm schließlich gegen den Kopf getreten.«
Harpas Augen weiteten sich. Sie hatte sich allein verantwortlich gefühlt für den Tod von Gabríel Örn. Eine Welle des Mitgefühls für den Jungen ihr gegenüber überrollte sie. Sie wusste, wie es war, sich schuldig zu fühlen.
»Also, zu den anderen kann ich nichts sagen, aber ich weiß genau, dass Björn sie nicht umgebracht hat«, sagte Harpa. »Ich kenne ihn. Er ist ein guter Mann.«
»Aber was ist mit Sindri? Hast du vergessen, was er sagte? Dass das isländische Volk nicht gewalttätig genug wäre? Dass es aktiv werden müsste?«
»Das war doch nur Angeberei«, sagte Harpa. »Er war angetrunken. Waren wir alle. Du hast sogar am lautesten von allen gewettert.«
»Ich weiß«, sagte Frikki.
»Außerdem wurden diese Leute doch im Ausland erschossen, oder? In England und Frankreich.«
»Es dauert nicht lange, hin- und zurückzufliegen«, warf Magda ein. »Ein Fischer könnte sich ins Flugzeug setzen und behaupten, er wäre auf See gewesen. Nach Keflavík fahren und nach London oder Paris fliegen. Kein Problem.«
»Das ist lächerlich. Ich weiß , dass Björn es nicht getan hat.«
Eine Weile herrschte Schweigen.
Frikki zuckte erneut
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