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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Kopf, und sein Gesicht näherte sich dem ihren. Seine Lippen würden weich und warm sein, das wusste sie, doch bevor sie sich berührten, schrak er zurück.
    »Komm.« Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich. »Nicht hier.«
    Die Mauern warfen Schatten. Finstere, dunkle Schatten. Er zog sie in eine Nische, in der sie fremden Blicken entzogen waren. Hanna schmiegte sich so fest an ihn, wie sie nur konnte, sie lachte und weinte zugleich. Seine Hände waren an ihrem Gesicht, in ihrem Haar. Sie verspürte einen solchen Hunger in sich, dass sie alles andere um sich herum vergaß. »Mattim.«
    Seine Lippen näherten sich ihren, erwartungsvoll schloss sie die Augen. Dann ein plötzlicher Schmerz … im nächsten Augenblick ließ er sie los und sprang nach hinten.
    »Es tut mir leid … ich wollte nicht …«
    »Mattim!« Sie trat aus der Nische und streckte die Hand nach ihm aus, aber er wich noch weiter zurück. »Warte! Mattim!«
    »Ich wollte das nicht!«, rief er aus.
    Dann sah sie ihn nur noch davonrennen, und seine Schritte hallten über das Pflaster.

EINUNDZWANZIG
    BUDAPEST, UNGARN
    Hanna wusste, dass Mattim nicht auf der Burg sein würde. Sie kannte ihn gut, besser, als er dachte. Natürlich würde er ihr ausweichen, damit es nicht wieder passierte. Zwei Tage lang hatte sie versucht, sich auf Attila zu konzentrieren und ihr schlechtes Gewissen, weil sie den Kleinen in letzter Zeit so vernachlässigt hatte, zu beruhigen. Aber schon heute merkte sie, dass sie das nicht lange durchhalten konnte. Vielleicht war Mattims Bedürfnis, sie zu sehen, wirklich nicht so groß wie ihres, vielleicht konnte er es mit viel Willensstärke schaffen, auf eine Begegnung zu verzichten. Sie konnte es jedenfalls nicht.
    »Ich kriege dich schon«, sagte sie mit einem grimmigen Lächeln. Attila und Réka waren in der Schule; ein paar Stunden hatte sie, um Mattim zu finden. Früher waren ihr die Vormittage, die sie für sich selbst hatte, manchmal zu lang vorgekommen, inzwischen reichten sie kaum aus. Zum Joggen hatte sie keine Zeit. Auf der Insel würde sie ihn sowieso nicht antreffen.
    Ihr Gefühl zog sie auf die andere Donauseite, nach Pest. Die Fahrt zum Keleti pályaudvar war schon fast Routine. Natürlich, er war zu Hause. Verkroch sich feige in seiner Wohnung. Sie weigerte sich, auf ihre Angst zu hören. Die Angst, dass er sie zurückweisen könnte, die Angst, dass er wieder so tun könnte, als würde er sie nicht kennen. Die Angst, dass er nie etwas anderes von ihr wollen würde als ihr Blut. Aber er hatte sie angesehen, mit einem solchen Blick … Und ein Schauspieler war er nicht. Wenn sie an
den Fahrstuhl zurückdachte … Weder seine Wut noch seine Verzweiflung hatte er verbergen können.
    Der Löwenkopf grinste ihr mit scharfen Fangzähnen entgegen. Schon wieder wartete sie vor der Tür und überlegte, wie sie hineingelangen sollte. Auf einmal ging die große Eingangstür ohne ihr Zutun auf, und sie stand Kunun gegenüber. Der Vampir, groß und dunkel, mit einem Blick, der imstande zu sein schien, sie zu Asche zu verbrennen. Sofort begannen ihre Knie zu zittern, und alle Worte erstarben ihr auf der Zunge.
    »Was tust du hier - Hanna?«, sagte er, mit einer Stimme, die der Schönheit seines Gesichts in nichts nachstand.
    Instinktiv trat sie ein paar Schritte zurück. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, es begann zu rasen, und in ihr schrie ein Teil ihrer selbst auf, jener Teil, der keiner Vernunft zugänglich war, dem es gleich war, dass sie sich mitten in einer Stadt befand, am helllichten Tag, dass Menschen an ihr vorübergingen und Kunun ihr gar nichts antun konnte. Dieser Teil in ihr, der so laut schrie, dass sie nichts anderes mehr wahrnehmen konnte: Das ist der Kerl, der dich in die Falle gelockt hat! Das ist der Kerl, der dich in einen Käfig gesperrt hat, zusammen mit Mattim. Das ist der Jäger! Flieh! Das ist der Jäger, dreh dich um und renn um dein Leben!
    Hanna wich noch einen Schritt zurück, und obwohl die Vernunft ihr gebot: Tu so, als wüsstest du nicht, wer und was er ist , kam sie nicht an gegen den Instinkt, der sie zur Flucht trieb, der sie zu einem kleinen, winselnden Beutetier machte, das sein Leben retten wollte. Kunun nahm seinen dunklen Blick nicht von ihr. Und sie eilte fort, keuchend, so hastig, dass sie stolperte, dass sie, als sie über die Schulter blickte, um zu sehen, ob er ihr nachkam, fast mit einem Laternenpfahl zusammengestoßen wäre. Sie musste so schnell wie möglich von hier fort, aber das

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