Magyria 01 - Das Herz des Schattens
traurig sein. Wir machen uns einen schönen Abend, ja?«
Gemeinsam schlenderten sie durch die Straßen, doch Réka konnte ihre Enttäuschung kaum verbergen. Sonst war ihr Instinkt nahezu unfehlbar gewesen.
»Du musstest ihn noch nie suchen«, sagte Hanna. »Kommt dir das nicht irgendwie - unheimlich vor?«
»Das kannst du nicht verstehen. Wir sind Seelenverwandte. Es ist kein Zufall. Es ist - Schicksal. Wir können uns gar nicht verfehlen.« Stolz strahlte aus ihren Augen. »Das ist sehr selten, glaube ich. Das kann man nur erleben, wenn man wirklich zusammengehört. Dann sorgt das Leben dafür, dass man sich immer wieder trifft.«
Es berührte Hanna seltsam, dass Réka »das Leben« sagte, fast als wüsste sie, was sie immer wieder zu Kunun trieb.
»Eine Menge Menschen finden ihre große Liebe und brauchen trotzdem ein Telefon, um sich zu verabreden«, sagte sie.
»Es ist, als würden wir uns eine Seele teilen«, sagte Réka leise. Dann blickte sie etwas erschrocken hoch. »Für dich ist das Unsinn, oder? Weil du so etwas noch nie erlebt hast.« Sie stockte und hielt plötzlich Hannas Arm fest. »Da ist er.«
Tatsächlich ging Kunun gar nicht weit entfernt von ihnen über die Straße. Er hatte es offenbar eilig und blickte nicht zur Seite. Réka drückte Hanna ihre Gebäckbox in den Arm und rannte los. Hanna sah nur, wie Réka Kunun erreichte, wie er stehen blieb, wie das Mädchen die Arme um ihn schlang.
Hanna war hier jetzt offensichtlich überflüssig. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie den beiden nachgehen sollte und versuchen sollte, das Beweisfoto zu machen, für das sie bereits so viel riskiert hatte. Aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, ihnen zu folgen. Stattdessen kam ihr ein anderer Gedanke.
Jeden Abend sehe ich auf den Fluss hinunter …
Wenn Réka sie nicht mehr brauchte, konnte sie genauso gut wieder zur Burg zurückkehren und nachsehen, ob sie Mattim dort fand. Mattim. Mittlerweile war sie fast geneigt, ihn für einen Traum zu halten, obwohl sie nie von ihm träumte. Er begegnete ihr nie in ihren Träumen; nur die Wölfe kamen und nahmen sie mit auf ihren Wanderungen durch den Wald. Durch die Bäume schimmerte das Wasser des großen Flusses. Von Mattim hatte sie kein einziges Mal geträumt, so sehr sie es sich auch wünschte. Dass sie in seiner Wohnung gewesen war, kam ihr im Nachhinein ebenfalls unwirklich vor. Nur das Foto ließ sich nicht leugnen. Es gab diesen Jungen. Sie wusste sogar, wie er hieß. Der letzte Prinz des Lichts. Das wiederum klang extrem nach einem Traum - wie konnte sie sich also sicher sein, dass es ihn wirklich gab?
Sie dachte darüber nach, während sie, die Hände in ihren Manteltaschen, den Weg zur Kettenbrücke einschlug. Es war windig, und sie vermisste ihren Schal. Die Löwen auf ihren Podesten zu beiden Seiten der Straße rissen die Mäuler weit auf. Natürlich dachte Hanna dabei an den grinsenden Löwenkopf über der Tür und die kleineren Statuen im Hof. Sie spürte, wie das Lächeln auf sie überging, voller Erwartung
und Vorfreude, dass sie es kaum aushalten konnte. Mattim. Ihn wiederzusehen. Es gab nichts, was sie mehr wollte. Sie vergaß ihre Sorge um Réka, vergaß, dass sie sich zu einem früheren Zeitpunkt niemals die Chance hätte entgehen lassen, den Vampir auf frischer Tat zu ertappen, vergaß alles, bis nur noch die Hoffnung übrig blieb. Eine Hoffnung, die sich zu einer fieberhaften Erwartung steigerte, bis sie nichts anderes mehr denken konnte. Mattim. Mattim, Mattim, Mattim.
Auf der anderen Seite wäre sie fast vor ein Auto gelaufen, weil sie nicht merkte, dass die Fußgängerampel Rot zeigte. Sobald das grüne Licht den Weg freigab, eilte sie über die Straße und schlug den Weg zur Burg ein. Einige Passanten waren hier noch unterwegs, und bei jeder Gestalt, die ihr entgegenkam oder die sie überholte, dachte sie im ersten Augenblick: Mattim! , nur um im nächsten zu erkennen, dass er es natürlich nicht war. Sie folgte dem breiten Weg zwischen den Burgmauern, hoch auf den Hügel. Hier oben, wo man den grandiosen Blick auf die erleuchtete Stadt genießen konnte, waren immer Menschen. Auch jetzt standen einige an der Mauer und ließen den Ausblick auf sich wirken. Ein Pärchen, das miteinander tuschelte, eine Gruppe junger Leute, zwei, drei einzelne Personen.
Hanna erkannte ihn sofort, sie wollte nur nicht gleich glauben, dass er es war. Zu viel, zu oft und zu intensiv hatte sie an ihn gedacht, und nun, als sie ihn tatsächlich
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