Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Hanna.«
»Mária.«
»Du putzt wohl nicht so gern, wie?«
Das ungarische Mädchen schnaubte durch die Nase.
»Soll ich dir helfen? Aber ich hab eigentlich keine Ahnung, was man hier alles machen muss.«
»Du brauchst nicht zu helfen. Das Geld ist für meine Oma. Sie will mit diesem Haus nichts mehr zu tun haben. Und ich auch nicht.«
Ihr abweisender Blick trieb Hanna aus dem Zimmer. Heimlich seufzend zog sie ihre Joggingschuhe an; als sie die Tür schloss, brummte drinnen der Staubsauger. Auch er hörte sich wütend an.
»Eine Mária hat heute hier geputzt.« Hanna war immer noch verwundert über die merkwürdige Begegnung vom Vormittag. Aber es erstaunte sie noch mehr, wie Réka auf diese harmlose Bemerkung reagierte.
Ihr Gesicht verfinsterte sich. »Mária. Ich hasse Mária.«
»Wieso? Kennst du sie? Ich dachte, ihre Oma putzt sonst bei euch?«
»Mária passt immer auf uns auf«, erklärte Attila fröhlich.
»Gar nicht«, widersprach Réka mit einem Blick, der ein empfindliches Gemüt zum Weinen gebracht hätte.
»Tut sie wohl!«
Mónika trat in die Küche. »Was ist denn hier los?« Sie hatte so lange im Wohnzimmer Klavier gespielt, dass Hanna
sich immer noch wie berauscht fühlte und die Stille ihr fremd vorkam.
»Ich will Mária«, heulte Attila.
»Mária kommt leider nicht mehr«, sagte seine Mutter. »Sie will nicht mehr auf euch aufpassen. Nein, Attila, das ist nicht deine Schuld.«
Réka knallte ihre Tasse auf den Tisch und verschwand aus der Küche.
»Was hat sie denn?«, fragte Hanna. »Ist da etwas vorgefallen, zwischen ihr und Mária?«
Mónika seufzte. »Keine Ahnung. Sie macht aus allem so ein Geheimnis! Mária hat immer auf die beiden aufgepasst, wenn wir abends wegwollten. Sie ist nett und war sehr zuverlässig, sie kam sogar mit Réka klar. Aber dann war auf einmal Schluss. Eigentlich sind wir nur deswegen auf die Idee gekommen, jemanden dauerhaft hier zu haben. Tja, du verdankst es im Grunde Mária, dass du hier bist.«
»Sie hat nicht gesagt, warum sie nicht mehr kommen wollte?«
»Sie hat so etwas wie ein Gespenst gesehen.« Mónika lachte entschuldigend. »Sie glaubt, unter Rékas Freunden wären Geister oder so. Jedenfalls hat sie sogar die arme, alte Magdolna so verwirrt, dass sie auch nicht mehr hier arbeiten will. Aber ich habe sie hoffentlich bald so weit, dass sie wieder für uns putzt.« In ihren klaren Augen lag eine Entschlossenheit, die Hanna noch gar nicht an ihr kannte. »Dass Márias Mutter sie hergeschickt hat, ist schon mal ein gutes Zeichen. Dann ist auch Magdolna bald wieder da, und du kannst aufhören, das Staubtuch zu schwingen.«
»Réka ist mit Geistern befreundet?«
»Manche von den älteren Leuten hier sind ziemlich abergläubisch. Aber von Mária hätte ich wirklich mehr erwartet. Sie ist arbeitslos, obwohl sie einen ziemlich guten Schulabschluss hat, vielleicht liegt es daran.«
Hanna konnte den Zusammenhang nicht erkennen,
enthielt sich jedoch eines Kommentars. Sie verstand jetzt wenigstens, warum Réka so schlecht auf Mária zu sprechen war - wenn diese so etwas über ihre Freunde behauptete, konnte man das entweder witzig, verrückt oder gemein finden. Das Mädchen fand es offenbar gemein.
»Sie hat wohl einen Grund gebraucht, um mit dem Babysitten aufzuhören«, meinte Mónika weiter. »Obwohl ich nicht verstehe, warum sie ihre Oma da mit hineingezogen hat. Und das Geld brauchen sie beide. Wie gesagt, das bekommen wir schon hin. Ich glaube, sie hat sich mit Réka gestritten und will es uns gegenüber nicht zugeben. Vielleicht hat unsere Tochter Magdolna beleidigt oder so.«
Hanna nickte, obwohl ihr eher nach Kopfschütteln zumute war. Kein Mensch in Deutschland würde ihr das glauben.
Später klopfte sie an Rékas Tür. »Darf ich reinkommen?«
Manchmal waren sie wie Freundinnen und konnten stundenlang quatschen und lachen. Doch heute starrte sie ein finsteres Geschöpf an, so kühl und abweisend wie die Réka vom ersten Tag. »Was willst du?« Sie sah aus wie ein Geist.
Vielleicht ist Mária deshalb gegangen , dachte Hanna und versuchte es komisch zu finden, nicht weil ihre Freunde seltsam sind, sondern weil Réka selbst etwas Gespenstisches an sich hat .
»Nichts Besonderes. Ich dachte nur …«
»Wenn du nichts willst, dann hau ab.«
So schroff war sie bisher noch nicht gewesen. Hanna atmete tief durch und schloss die Tür wieder.
Mónika stand an der Vitrine und stellte gerade hastig eine Flasche weg, als Hanna die Tür
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