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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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fragen, wo sie und Kunun hingingen. Dass sie die beiden nicht mehr sehen würde, wenn sie jetzt auf die Straße lief, war ihr klar.
    Sie rechnete damit, dass sich auch die rothaarige Frau aus
dem Staub gemacht hatte, aber sie rührte immer noch in ihrem Getränk herum.
    »Ich habe mir erlaubt, Ihren Saft zurückgehen zu lassen und Ihnen etwas Stärkeres zu bestellen. Hier.« Sie drückte Hanna ein Glas in die Hand.
    »Ich weiß nicht, was hier vorgeht, aber ich bin sicher, Sie haben etwas damit zu tun.«
    Als die junge Frau den Mund öffnete, war Hanna darauf gefasst, dass sie alles abstreiten würde: Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Stattdessen sagte sie lächelnd: »Trink. Ich bin Atschorek.«
    »Hanna.« Wie in Trance schüttelte sie die ausgestreckte Hand.
    »Ich weiß. Wir sind fast Nachbarn. Ich wohne im zwölften Bezirk.«
    »Dann sind wir keine Nachbarn.« Fast hätte sie verraten, wo die Szigethys wohnten, doch sie biss sich rechtzeitig auf die Lippen.
    »Nun ja.« Atschorek lächelte betörend. »Immerhin gehen die Kinder dort zur Schule, nicht? Mein Haus liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Thomas-Mann-Gymnasium und der Europaschule.«
    Hanna wurde kalt. Wie konnte die Fremde wissen, auf welche Schulen die Kinder gingen? Dass es außer Réka noch ein Kind gab? Sie spürte die Gefahr so überaus deutlich, dass sich die Härchen an ihren Armen aufrichteten. Nichts als die missglückte Imitation einer aufgeplusterten Katze.
    Vorsichtig nippte sie an ihrem Glas.
    »Keine Sorge, ich habe nichts hineingetan.« Die Frau lächelte wieder dieses unbeschreibliche Lächeln. Männerherzen ließ es sicher dahinschmelzen; Hanna war nicht entgangen, dass sich einige Gäste im Bistro nur noch zum Schein mit ihren Begleiterinnen unterhielten und möglichst unauffällig zur Theke hinüberstarrten.
    »Nein … Ich trinke eigentlich so gut wie nie.«

    Atschorek starrte versonnen in ihr Glas. »In Magyria tranken wir am Abend einen Trunk aus geschmolzenem Licht. Es war wie ein Sternenschauer, der durch unsere Glieder rann.« Sie hob den Blick wieder. »Ich bin in gewisser Weise auch nicht von hier. - Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre kleine Freundin. Die kommt schon zurück.«
    Hanna hatte kaum ein, zwei Schlucke getrunken und bekam schon Schwierigkeiten, einen ganzen Satz zu formulieren. Vielleicht hatte Atschorek ihr doch irgendein Gift hineingemischt.
    »Sie darf nicht … ich erlaube nicht …«
    Die Rothaarige beugte sich zu ihr vor. »Du glaubst ja nicht, wie oft wir es mit Leuten wie dir zu tun haben. Menschen, die glauben, alles besser zu wissen. Die meinen, sie wüssten, was das Richtige ist. Die denken, wenn sie das Glück eines anderen zerstören, dann ginge es allen besser.«
    »Darum geht es?«, fragte Hanna mit schwerer Zunge. »Um das Glück?« Sie sprach mit dem Feind. Sie war sich dessen bewusst, auch wenn sie nicht verstand, warum. Wenn diese Atschorek Kununs Freundin war, wieso unterstützte sie dann seine Beziehung zu Réka?
    Ein Mann, der die attraktive Rothaarige schon die ganze Zeit von weitem beobachtete, hatte sich wohl endlich ein Herz gefasst, denn er trat vorsichtig zu ihnen und fragte sehr höflich, ob er ihnen einen Drink spendieren dürfe.
    Atschorek unterzog ihn einer kurzen Musterung. »Danke, aber ich habe heute schon getrunken«, erwiderte sie. Sie sagte es auf eine überaus freundliche, ja geradezu liebreizende Weise, und dennoch überlief es Hanna bei ihren Worten kalt. Die Angst, die sie plötzlich erfasste, war logisch nicht zu erklären. Sie stürzte den Inhalt ihres Glases hinunter, stellte es ab und ging. Für die anderen mochte es vielleicht so aussehen, als wollte sie dem Mann die Gelegenheit geben, das Gespräch fortzusetzen. Was Atschorek
dachte, wollte sie gar nicht erst wissen. Wie auf Eierschalen schritt sie über die schwarzen und weißen Fliesen nach draußen und blickte nach oben in den dunklen Himmel, der hier in der Stadt nie ganz dunkel wurde. Kein Sternenschauer prasselte auf sie herab, nur Wasser, kalter, nasser Regen. Benommen stand sie da, von einem tief sitzenden Unglück erfasst, und wartete darauf, dass Réka zurückkam. Irgendwann erinnerte sie sich daran, dass Mária nur zwei Stunden auf Attila aufpassen wollte. Mit schweren Schritten und noch schwererem Herzen machte sie sich auf den Weg zur nächsten Haltestelle.
     
    Das Haus lag in völliger Dunkelheit. Natürlich, die zwei Stunden waren schon lange um, trotzdem hatte Hanna gehofft, dass Mária

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