Magyria 02 - Die Seele des Schattens
noch wo sie Kunun festhalten. Der gemeine Mann auf der Straße weiß es jedenfalls nicht.«
Hanna atmete hörbar aus. »Réka lebt!«
»Nun ja«, meinte Atschorek verächtlich, »ich hätte nicht von dir erwartet, dass du das so nennst, Hanna.«
Mattim kniete sich auf den Boden. Mit dem Handrücken wischte er die Kreidezeichnung weg. »Nie im Leben kommt ihr so in die Burg. Hier ist ein Posten, dort geht die Patrouille im Minutentakt entlang. In Notzeiten wie diesen vermutlich noch öfter. An der Stelle kommt man nur durch, wenn man sofort mit der Wand verschmilzt, bevor sich irgendjemand von den Wachen umdreht. Kannst du das?« Er fixierte den Vampir mit einem strengen Blick.
»Nein, Herr. Nein, Prinz Mattim.«
»Um Réka geht es dir?«, fragte Atschorek. Skeptisch sah sie auf ihn herunter. »Du würdest uns tatsächlich helfen – für ein einziges Mädchen? Für diese dumme Kleine würdest du deine Stadt verraten und alles, woran du bis jetzt festgehalten hast?«
»Ich werde euch nicht helfen«, verbesserte Mattim. »Ich werde euch führen. Ich leite diesen Einsatz.« Er schaute hoch, in ihr kühles, zorniges Gesicht. »Alles hört auf mein Kommando. Auch du, Schwesterherz.«
»Nie im Leben!«, schnappte sie.
Mattim stand auf. »Dann eben nicht.«
»Was kannst du denn schon tun?«, giftete Atschorek. »Was, das wir nicht genauso gut ohne dich schaffen? Dies ist meine Armee. Es ist mein Bruder, um den es geht – meiner! –, denn du hattest nicht vor, auch nur einen Finger für ihn zu rühren, bevor das Mädchen ins Spiel kam. Ich brauche dich nicht, Mattim. Wenn du dich entschließen könntest, mir zu gehorchen, würde ich dich eventuell einsetzen. Aber dir das Kommando übergeben? Vergiss es.«
»Ich kann Akink einnehmen.«
»Wer’s glaubt.« Sie drehte ihm demonstrativ den Rücken zu. »Los, lasst uns dort weitermachen, wo wir waren.«
Vielleicht lag es an seinem Gesicht. Vielleicht war dort etwas sichtbar, was alle Zweifel vertrieb an dem, was er sagte. Vielleicht war es das Licht, das in ihm aufblitzte, strahlender als ein Stern, hier, in seiner dunkelsten Stunde, als er sagte: »Akink für euch Schatten. Ohne Verluste. Auch ihr seid mein Volk, und ich werde euch nach Hause bringen. Hat Kunun es nicht die ganze Zeit gewusst? Ich werde Akink den Schatten geben.«
»Mach dir keine Mühe. Verschwinde einfach«, sagte Atschorek.
Die anderen Vampire starrten ihn an.
»Ohne Verluste?«
»Du holst Kunun da raus?«
»Wir gehen nach Hause? Alle?«
»Er lügt!«, rief Atschorek. »Hört ihm nicht zu! Er ist ein Diener des Lichts, ein Verräter, er will ja nicht einmal jetzt wahrhaben, wer er ist. Für euch, sagt er. Den Schatten, sagt er. Als wäre er selbst etwas anderes!«
Die Vampire achteten nicht mehr auf sie. »Du weißt, wie man am besten in die Burg gelangt?«
»Ich habe nicht die Absicht«, sagte Mattim. »Denn genau damit rechnen sie. Sie erwarten uns in der Stadt. Aber ich werde über die Brücke kommen.«
»Jetzt ist er völlig übergeschnappt«, höhnte Atschorek.
»Alles für euch: Akink. Die Brücke. Kunun, euer König. Aber dafür erhalte ich das Kommando. Ich erwarte unbedingten Gehorsam. Wir holen uns Akink. Die ganzen letzten Jahrzehnte habt ihr es nicht fertiggebracht. Nun machen wir es auf meine Weise. Entweder es läuft so, wie ich es sage, oder wir vergessen das Ganze.«
»Nein!«, ächzte seine Schwester, als die Schatten vor ihm in die Knie gingen. »Nein! Das ist mein Krieg, nicht seiner!«
»Mattim ist Kununs Stellvertreter«, meinte einer der Schatten. »Es ist sein Recht, unseren Gehorsam zu verlangen.«
»Ich bin die Vizekönigin! Ich erteile die Befehle, wenn Kunun nicht da ist!«
» Kleiner Bruder bringt den Sieg «, flüsterte einer. »Er ist es. Wenn ich ein Schwert hätte, würde ich es vor dir niederlegen, Prinz Mattim.«
Mit einem grimmigen Lächeln schaute der junge Prinz auf die erwachsenen Männer und Frauen, die sich seiner Führung anvertrauten.
»Und du, Atschorek?«
»Niemals!« Sie wich vor ihm zurück. »Ich weiß nicht, was du hier eigentlich machst – aber dass ich dir Gehorsam schwöre, darauf kannst du lange warten!«
»Dann werde ich diesen Krieg nicht führen«, sagte er. »Und Kunun nicht retten.«
Atschorek kämpfte mit sich. »Warum ist es so wichtig?«, brach es aus ihr heraus. »Wenn wir doch alle auf einer Seite stehen – angeblich. Es ist lächerlich, einem jüngeren Bruder Treue zu schwören!«
»Akink für die Schatten«,
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