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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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behandeln, als wäre ich krank«, sagte Réka, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten. »Papa lässt mich nicht mehr zur Schule gehen. Schon seit zwei Wochen! Ich verpasse ja alles! Er glaubt, dass ich verrückt bin. Es war ein Fehler, ihm zu erzählen, wo ich gewesen bin, als ich verschwunden war. Dieser komische Polizist hat allen irgendeine Geschichte aufgetischt, nur Papa war damit nicht zufrieden. Mama wollte, dass er mich in Ruhe lässt, aber er hat so lange gebohrt, er hat einfach nicht aufgehört. Er hat versprochen, er wird mir zuhören, es gibt nichts, was ich ihm nicht sagen könnte. Da dachte ich … Du kannst es dir ja denken, der Schuss ist so ziemlich nach hinten losgegangen.« Sie holte tief Luft. »Oh Gott, es ist so gut, dass du da bist, Hanna! Endlich kann ich mit jemandem reden, der weiß, was los ist.«
    Hanna schwieg eine Weile. Dann fragte sie: »Wie kannst du meine Träume träumen? Hast du alles gesehen, was ich jede Nacht sehe? Die Wölfe? Mattim?«
    »Kunun ist nicht da.« Réka wirkte klein und blass, und dieser Eindruck wurde noch durch das Kleid verstärkt, das sie heute Morgen angezogen hatte – ein bodenlanges Gewand aus dunklem Samt. Sie trug es nicht wie eine Verkleidung, sondern so stolz und selbstverständlich wie eine Prinzessin aus Magyria. »Es gelingt mir nie, von ihm zu träumen. Immer nur von den Wölfen. Manchmal kommt es mir wie ein Traum vor, dass ich ihm jemals begegnet bin. Ich möchte das Herz wiederhaben, Hanna. Ich weiß nicht, wo es ist.«
    »Du meinst den Anhänger?«
    »Eingraviert«, sagte Réka. » Kunun und Réka . Für immer. Verstehst du, warum das so wichtig ist? Damit man weiß, dass man nicht träumt. Wenn sie mir sagen, dass ich verrückt bin, dann kann ich meine Hand darumlegen und mich daran festhalten. Oder«, sie blickte auf und runzelte die Stirn, »oder klingt das etwa auch verrückt?«
    »Nein. Ganz und gar nicht.« Hanna schüttelte den Kopf. Sie konnte diesen Wunsch sehr gut verstehen, etwas festzuhalten, etwas zu behalten, ein Zeichen, mehr als bloß einen Traum oder eine Erinnerung.
    Réka schob den Ärmel ihres Kleides hoch. »Das sollte reichen, könnte man meinen.« Die Abdrücke des Wolfsgebisses waren nur zu deutlich zu sehen, eine schreckliche Wunde, die leicht zu Rékas Tod hätte führen können, wenn sie nicht zum Schatten geworden wäre. »Aber das war Wilder. Nicht Kunun. Ich habe nichts von Kunun.«
    »Du hast ihn nicht wieder getroffen?«
    Réka lächelte hilflos. »Ich kann ihn nicht mehr finden. Ich war ein Schatten – und nun kann ich ihn nicht mehr wiederfinden.«
    Es hatte nie aufgehört zu schmerzen. Nie. Von Mattim zu träumen war nie genug gewesen. Aber sie war ihm wenigstens im Traum begegnet, und jeder dieser Träume fühlte sich so echt an, als würde sie tatsächlich die Hand auf das weiche goldene Fell legen. Als würde sie mit den Wölfen rennen und den wilden Duft ihres Landes einatmen.
    Réka sah sie aufmerksam an. »Wo sind die Wölfe?«
    »Was meinst du?«
    »Nicht in Magyria, oder? In Magyria ist es dunkel.«
    »Ich weiß es nicht. Sie haben die Zone der Finsternis hinter sich gelassen.« Hanna hatte nicht gewusst, wie gut es tun würde, darüber zu reden. »Magyria« zu sagen. Magyria – und zu wissen, dass alles, was sie dort erlebt hatte, wirklich geschehen war. »Akink«. Und »Mattim«, immer wieder »Mattim.«
    »Wow, ist das hart«, meinte Hanna. »Alles für sich zu behalten. Meine Mutter fragt mich oft, was ich träume, aber glaubst du, ich kann ihr jeden Tag sagen, dass es wieder die Wölfe sind? Ich habe meinen Eltern nur erzählt, dass ich hier jemanden kennengelernt habe. Und dass er – nun ja, weg ist.«
    »Vielleicht glauben sie, er ist ein Asylant oder so was?«, vermutete Réka fröhlich. »Dabei ist er ein Wolf, und du bist seine Lichtprinzessin. Mit dir zusammen macht es fast Spaß, wahnsinnig zu sein.« Dann wurde sie plötzlich wieder ernst und sagte: »Es tut mir leid. Ehrlich, Hanna. Dass ich dich so beschimpft habe. Kommt nicht wieder vor.«
    »Ich weiß, wie du dich gefühlt hast«, sagte Hanna. Weggerissen zu werden von demjenigen, den man liebt … oh ja, das hatte sie erlebt. »Manchmal«, fügte sie leise hinzu, »weiß ich nicht, wie ich weiterleben soll. Wie ich atmen soll und gehen und sprechen und tun, als wäre ich wie alle. Andere treffen sich mit ihren Freunden, sie streiten sich und versöhnen sich … aber mein Geliebter ist ein Wolf, der durch meine Träume

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