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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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müssen den Wolf jedenfalls unbedingt nach Hause bringen, bevor er erwacht, oder es geht alles wieder von vorne los.«
    »Er sollte doch nur einige Augenblicke lang bewusstlos sein? Jetzt liegt er immer noch da. Glaubst du, mit ihm stimmt etwas nicht?«
    Genau das war seine eigene Befürchtung. »Vielleicht hat Kunun ihn umgebracht mit dem seltsamen Gerät«, knurrte Mattim.
    »Bela ist einfach zu schwer.« Goran seufzte. »Mit dem Käfig kriegen wir ihn jedenfalls nicht aus dem Fahrstuhl. Was nicht heißen soll, dass ich dir rate, den Käfig zu öffnen und ihn da herauszuzerren. Das ist genau das, was du nicht tun solltest, Mattim.«
    Er stand da und betrachtete den Fahrstuhl und den Wolf, der sich immer noch nicht bewegte. Ein Gedanke. Vielleicht …
    »He!«, rief sie. »Mach die Klappe nicht auf! Hörst du mir überhaupt zu?«
    Ein Gedanke, so fremd, dass er sich dumm anfühlte. Noch hatte Mattim sich nicht an das Wissen gewöhnt, wie die Pforten entstanden. Die Zähne eines Schattenwolfs, mächtiger als jede andere Waffe, rissen den hauchdünnen Schleier zwischen den Welten entzwei.
    Ein mulmiges Gefühl überkam Mattim, als er den Käfig aufschob und sich bückte, um mit hineinzusteigen.
    »Hier im Aufzug ist Zoltan gebissen worden«, überlegte er. »Dann muss es doch möglich sein, direkt von hier nach Magyria überzuwechseln?«
    »Wahrscheinlich, aber … Nicht, Mattim!«
    Es war nötig, den Wolf zu berühren. Falls dieser sich nur tot oder bewusstlos stellte, war es ein tödlicher Fehler, die Klappe zu öffnen, doch Bela schlief weiter. Mattim beugte sich über ihn und legte ihm die Arme um den Hals. Dann schloss er die Augen und machte in Gedanken den Schritt, auf den es ankam.
    Es war stockfinster. Der Junge hob den Kopf und horchte. Immer noch lag der Wolf reglos in seinen Armen. Er streckte die Hand aus – der Käfig war verschwunden, um sie her war nur das Dunkel des Gewölbes. Irgendwo tropfte Wasser.
    Eine Höhle. Sie mussten in einer der anderen Höhlen sein. Auf jeden Fall hatte es funktioniert, sie waren auf der richtigen Seite. In Magyria.
    »Bela? Wir sind zu Hause.«
    Mattim konnte es nicht sehen, aber er fühlte, wie der mächtige Leib sich bewegte.
    »Bela?«, fragte er noch einmal. »Bela, ich bin es.«
    Unter seiner Hand fühlte er das Herz des Wolfes schlagen, stark und lebendig.
    »Bela«, sagte er zum dritten Mal. Die Angst, in seiner Umarmung könnte eine reißende Bestie erwachen, war nicht völlig verflogen, aber solange das Tier keine Anstalten machte, ihn anzugreifen, konnte er hoffen, dass sein Bruder zurückgekehrt war.
    Die Läufe zuckten, der Wolf versuchte aufzustehen. So gut es ging, half Mattim ihm dabei. Dann standen sie eine Weile still, und das Tier lehnte sich gegen ihn.
    Komm. Er musste nicht sprechen, keine Befehle geben. Wie ein einziges Wesen hielten sie auf den Ausgang zu, ohne Zögern, ohne Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Draußen empfing sie das Dämmerdunkel eines magyrianischen Tages. Wenn Mattim lange genug stillhielt und die wirbelnden Gedanken verbannte, konnte er nahezu fühlen, was der Wolf empfand.
    Es ist Vormittag. Die Sonne wird bald im Zenit stehen, wenn auch nicht hier. Irgendwo dort oben hinter den Schleiern.
    Ein scharfes Luftholen beim Überqueren der offenen Fläche vor den Höhlen. Dann das Aufatmen beim Eintauchen in den Wald. In den Schatten. Der Wolf blieb stehen und keuchte, wieder lehnte er sich schwer gegen Mattim.
    »Bela«, sagte Mattim leise. Glück flammte in ihm auf, weil sein Bruder lebte, weil die Zeit des Schreckens zu Ende war.
    Der Wolf stieß ihn leicht mit der Schnauze an. Wie eine graue Decke schimmerten die hellen Haarspitzen seines schwarzen Fells.
    Man konnte die Flusshüter hören, lange bevor man sie sah. Sie stapften durchs Unterholz, ihre Stimmen trugen weit, ihr Gelächter erinnerte an glücklichere Tage.
    Der Wolf konnte noch nicht rennen, noch lange nicht. Schwer genug waren ihm die bisherigen Schritte gefallen.
    Die Brüder duckten sich gemeinsam tief unter die Bäume in eine Mulde, in der sie nebeneinanderlagen und keinen Laut von sich gaben. Die Schritte der Patrouille kamen näher, noch näher. Ihr Geruch war sehr menschlich, sehr lebendig, auch wenn er nicht die wunderbare scharfe Süße der anderen Wirklichkeit in sich trug. Schweiß, Angst, Vorsicht, aber auch leise Vergnügtheit lagen darin. Zwei Frauen tuschelten miteinander. Sie gingen so dicht an ihnen vorbei, dass Mattim die Hand hätte ausstrecken

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