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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Tunnels.
    Es stimmte also. Wenn man starb, kam das Licht … Aber keine Engel sangen. Nur Schweigen empfing sie, und der Schmerz und die Angst und das Entsetzen wurden übermächtig.
    Ich sterbe, jetzt … Kunun!
    Dann zerrte etwas an ihr, die Pflanzen zerrissen und gaben sie frei, und im nächsten Moment berührten ihre Hände Gras. Hustend und spuckend kroch sie ans Ufer, mit zitternden Knien, und brach zusammen. Hinter ihr tauchte der Wolf aus dem Wasser auf und schüttelte sich.
    »Réka.« Kununs Gestalt, zu einem schwarzen Schatten geworden. Nicht einmal jetzt kam er zu ihr. Er half ihr nicht hoch, schloss sie nicht in die Arme. Als ginge ihn das alles nichts an, stand er immer noch ein paar Meter entfernt und rührte sich nicht von der Stelle.
    »Du hast mir nicht geholfen.« Sie starrte ihn an. Ein Fremder. Ein Fremder, der auf sie zuschritt wie eine dunkle Bedrohung. »Warum hast du mir nicht geholfen?«, schrie sie ihn an.
    »Ich kann nicht ins Wasser«, sagte er mit einer Stimme, die seltsam zärtlich und verloren klang.
    Sie wich vor ihm zurück. »Du hättest mich ertrinken lassen!«
    Atschorek trat hinter ihm aus der Dunkelheit. »Beiß sie. Dann vergisst sie auch das.«
    Réka drehte sich um und lief. Sie stolperte vorwärts, in den dunklen Wald hinein.
    »Réka!«, rief Kunun hinter ihr. »Warte!«
    Kurz darauf Atschoreks Ruf: »Beiß sie!«
    Ein Wimmern drang aus Rékas Kehle, während sie rannte. Die nasse Kleidung lähmte ihre Beine; wie in einem endlosen Albtraum hatte sie das Gefühl, nicht vorwärtszukommen. Dann erschien der Wolf neben ihr. Sie schrie so laut sie konnte, als er sie umwarf, schrie, wie sie noch nie geschrien hatte, als ihr Gesicht in Moos und Blätter tauchte. Trotzdem hörte sie noch Kununs Stimme, das einzig Vertraute in dieser Welt des Schreckens.
    »Nicht!«, rief er, so dringend, dass seine Verzweiflung der ihren gleich zu sein schien. »Wilder, nicht! Nicht hier! Bloß nicht hier!«
    Im selben Moment wurden in der Nacht zwischen den Bäumen andere Gestalten sichtbar, Menschen mit Lichtern. Durch ihre Panik hindurch hatte Réka das tröstliche Gefühl, dass man sie gesucht und endlich gefunden hatte. Der Wolf verschwand, und sie kroch auf das Licht zu. Starke Arme halfen ihr hoch.
    »Nicht beißen«, brachte sie heraus. »Nicht beißen. Wolf. Nicht.«
    »Wer bist du?«, fragte der Fremde, der sie festhielt.
    »Kein Schatten, das sieht man doch«, sagte eine Frauenstimme neben ihrem Ohr. »Sie flieht vor ihnen, sie hat Todesangst. Es wird alles gut, Mädchen.«
    Réka wandte sich um, wo in der Finsternis nur noch die schwarzen Stämme die Nacht in Segmente teilten.
    »Kunun?«, fragte sie.
    Es war ein Traum. Es musste ein Traum sein, dass er sich in ein Monster verwandelt hatte, das sie beißen wollte. Ein Traum, dass sie in das schwarze Wasser gefallen war … Aber sie war völlig durchnässt, und sie fror.
    »Ein Wolf war hinter dir her?«, fragte ein Mädchen, schön und blond, nicht viel älter als sie. Mit großen blauen Augen starrte sie Réka an. »Einer der Schattenwölfe?«
    »Der Wolf war sehr groß«, sagte Réka. »Er sollte in das Boot.« Dann fragte sie: »Wo sind wir hier eigentlich? Ich möchte nach Hause. Kann mich bitte jemand nach Hause bringen?«
    »Am besten kommst du erst einmal mit nach Akink«, sagte die erste Frau.
    »Es könnte eine Falle sein«, gab die zweite zu bedenken.
    »Wie war das mit dem Boot?«, fragte der Mann, und die anderen traten näher.
    Sie sah jetzt, dass es eine ganze Gruppe war, vielleicht ein Dutzend Männer und Frauen mit Fackeln. Der Sprecher trug ein langes Schwert in seinem Gürtel, und das blonde Mädchen, das eine Falle befürchtete, zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Bogensehne.
    Réka starrte sie ungläubig an. Was spielten sie hier in diesem Wald – Ritter? Aber im Gesicht des Mannes lag ein tödlicher Ernst, als er sagte: »Sichert die Gegend. Sucht nach dem Boot. Und passt auf, dass …«
    Er brachte den Satz nicht zu Ende. Einen Augenblick schien die Welt stillzustehen, und sie sah den Wolf im Flug. Sein Fell war fuchsrot, nicht mehr grau, und im Schein der Lichter strahlte er auf wie eine Flamme. Der Anführer fiel zu Boden, bevor es ihm gelang, sein Schwert zu ziehen und zu schreien. Réka war es, die für ihn schrie, und zugleich stürmten von allen Seiten Kununs Freunde ins Licht. Réka wusste nicht mehr, welches ihre eigenen Schreie waren in dem Lärm. Sie sah Atschorek kämpfen – keine

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