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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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würde erst in einigen Stunden aufbrechen. Wenn sie zu ihnen stieß, war sie gerettet – vielleicht. Die Schatten würden nie und nimmer zulassen, dass sie das, was sie wusste, an die Wächter weitergab.
    Aus den Augenwinkeln heraus nahm sie flüchtig etwas Graues wahr. Weit war sie nicht gekommen; die Wölfe hatten sie bereits eingeholt. Von allen Seiten schlichen sie heran. Den Bogen hatte Mirita verloren, aber er hätte ihr sowieso nichts genützt, denn beim Kampf hatte sie alle ihre Pfeile verschossen. Wenigstens blieb ihr der Dolch. Sie hielt ihn fest in der Hand und drehte sich im Kreis. Immer noch konnte sie nicht sehen, wie viele es waren. Sie verschmolzen mit der Dunkelheit des Waldes, aber das Mädchen wusste, dass sie da waren. Lautlos.
    Ihre Hand krallte sich um die Waffe. Sie dachte nur an Akink, nur daran, wie sie die anderen warnen konnte. Ihr eigenes Leben war bedeutungslos. Jedes Mitglied der Wache war bereit, für Akink zu sterben. Aber nicht jetzt. Nicht so!
    Die Wölfe schoben sich näher, ein Ring grauer, schattenhafter Gestalten. Die junge Flusshüterin wartete nicht, bis sie angriffen. Mit einem gellenden Schrei stürzte sie vorwärts, rammte dem nächsten Wolf den Dolch in den Leib – sie hatte keine Zeit, um abzuwarten, ob sie ihn ernsthaft verletzt hatte – und rannte weiter. Bloß ein paar Schritte und sie würden wieder hinter ihr her sein. Ein Ast schlug ihr ins Gesicht, sie griff danach und schwang sich hoch. Bis jetzt waren die Bäume ungeeignet zum Klettern gewesen, schlanke, hohe Nadelbäume, die an der unteren Stammhälfte kaum Zweige aufwiesen. Doch dies hier war eine junge Eiche, die mehrstämmig emporragte und an der sie sich rasch hochhangeln konnte. Die Wölfe sprangen unter ihr ins Leere.
    Aufatmend lehnte das Mädchen die Stirn gegen die Rinde. Sie hatte sich so sehr verausgabt, dass sie am ganzen Körper zitterte, was es schwierig machte, sich festzuhalten. Trotzdem war es genauso unmöglich, loszulassen und aufzugeben. Gegen den Stamm gelehnt wartete sie in ihrer Astgabel, während unter ihr die Wölfe kreisten und mit gelben Augen zu ihr emporsahen.
    Ein Aufschub. Das war es, nur ein Aufschub. Wenn die Schatten sie hier fanden, war es aus.
    Es war zu dunkel, um zu erkennen, wie weit der Waldboden entfernt war. Drei Meter, vier? Bevor die Feinde kamen, konnte sie immer noch springen, aber sie wusste nicht, ob es sie wirklich umbringen würde, wenn sie auf den weichen Boden aufschlug. Das war bestimmt nicht hoch genug. Vielleicht würden die Vampire sie töten, wenn sie verletzt war, und darauf verzichten, sie zu einer der Ihren zu machen, aber darauf konnte sie bloß hoffen. Irgendwie musste sie es fertigbringen, zu sterben, bevor sie ihnen in die Hände fiel.
    Die Wölfe bewegten sich unruhig unter dem Baum. Dort war der Tod, bereit für sie. Wenn sie gewusst hätte, ob diese Bestien vorhatten, sie zu zerfleischen, oder ob sie sie zu dem machen wollten, was Mirita am meisten fürchtete – zum Feind. Andererseits konnte sie, wenn sie ein Schatten war, zur Brückenwache gehen, sie benachrichtigen und sich dann in den Fluss stürzen. Doch würde sie dann noch genauso denken und genauso fühlen wie jetzt?
    Das Risiko war zu groß.
    Akink. Solange sie lebte, bestand Hoffnung, dass sie es irgendwie schaffte. Dass die Tagpatrouille früher kam, dass der König Boten ausschickte, wenn die Nachtwache nicht zurückkehrte, dass irgendetwas geschah, was sie rettete. Ein Wunder.
    Langsam kroch die Dämmerung durch die Wipfel. Es würde nicht viel heller werden, und dennoch wuchs die Hoffnung in ihr. Sie blickte nach unten. Keine Wölfe.
    Einen Moment lang schoss die Freude durch sie hindurch wie eine hoch aufzüngelnde Flamme, dann fiel ihr ein, dass es eine Falle sein konnte. Waren Wölfe so intelligent, sie auf diese Weise herunterzulocken?
    Noch war niemand zu sehen. Keine Verfolger weit und breit, so weit ihre Augen die Dämmerung durchdringen konnten. Oder war es die Tagpatrouille, deren Herannahen das Rudel vertrieben hatte?
    Miritas Herz klopfte heftig, als sie sich zum Herabsteigen entschied. Es war bloß eine winzige Chance, vielleicht die schlimmste Entscheidung, die sie treffen konnte, aber wenn auch nur der Hauch einer Möglichkeit bestand zu entkommen …
    Ihre Füße berührten den Boden, und sie stürzte sofort los – geradewegs in die Fänge des größten Wolfs, den sie je gesehen hatte. Er war riesig, ein schwarzes Monstrum, um das sich das ganze Rudel der

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