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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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ihn so reden zu hören. Er war immer noch der Prinz des Lichts. Er war immer noch der Mattim, den sie liebte, wenigstens zum Teil. Etwas war immer noch da in ihm, das auf ihrer Seite stand.
    »Nein«, sagte sie. »Akink muss nicht fallen. Wir können die Schatten nach wie vor zurückdrängen. Wir können die Dämmerung, die über uns liegt, vertreiben. Vielleicht …« Die Worte ließen sich nicht über die Lippen zwingen: dass vielleicht ein Schatten ein Lichtkind bekommen konnte. Dass sie beide, wenn ihre Liebe stark genug war, das Glück hervorbringen würden … Sie wollte die Hand ausstrecken und ihn berühren, doch auch das brachte sie nicht fertig. Liebe und Furcht, Misstrauen und Hoffnung – und sie hatte keine Ahnung, was davon am stärksten war und was den Sieg davontragen würde.
    »Selbst wenn du – wenn du nicht dabei bist, würdest du nicht weiterhin dafür kämpfen wollen? Dafür, dass Akink im Licht der Sonne leben kann? Für all die Menschen in der Stadt, die sich fürchten, wenn sie die Wölfe auf dieser Seite des Flusses heulen hören? Du hast gesagt, es sei schlimmer, als du erwartet hast. Willst du wirklich, dass wir alle dasselbe erleiden müssen? Der Mattim, den ich gekannt habe, hätte das nicht gewollt. Er hätte bis zum letzten Atemzug dafür gekämpft, dass Akink die Stadt des Lichts bleibt.«
    Sie sprachen über ihn wie über jemanden, der längst gestorben war. Und das war er auch. Der Mattim hier, immer wieder musste sie sich das in Erinnerung rufen, war nicht derselbe. Vor der Höhle wachte sein Wolf, einer der Wölfe, die der König zu töten befohlen hatte. Wie konnte der Prinz sich mit dieser scheußlichen Kreatur abgeben? Es verwirrte sie, dass sie immer noch nicht wusste, wie viel von dem ehemaligen Krieger des Lichts übrig geblieben war. Sie hätte weinen mögen, aber sie nahm all ihre Kraft zusammen. Sie hatte nicht aufgegeben, als die Wölfe sie verfolgt hatten, und sie würde auch jetzt nicht aufgeben.
    Ein Test , nahm sie sich vor. Wenn er mich jetzt gehen lässt, wenn er mir hilft, die Stadt zu retten … dann glaube ich daran, dass er nicht durch und durch böse ist. Dann glaube ich daran, dass das Licht in seinem toten Herzen überlebt hat. Und wenn wir uns das nächste Mal begegnen – ihrer beider Schicksal war miteinander verbunden, deshalb zweifelte sie nicht daran –, will ich mich küssen lassen, und wir werden ein Kind machen.
    Wie unglaublich war es, so etwas auch nur zu denken. Vergiss alles, jeglichen Anstand, alles, was du je gedacht und geglaubt und gefühlt hast. Es geht nur um dieses Kind. Ich werde das Licht retten, koste es, was es wolle.
    » Mattim, ich muss nach Akink. Ich kann nicht auf die Tagpatrouille warten. Die Stadt wird fallen, wenn du mir nicht hilfst. Willst du das wirklich? Willst du bei den Schatten sein, die das Entsetzen über uns alle bringen? Du bist nicht von Grund auf schlecht, Mattim!«
    Schon einmal hatten sie gemeinsam in der Nähe gewartet und gewacht und von der Rettung Akinks geträumt. Jahre schien das her zu sein, viele, viele Jahreszeiten, ehe die große Dämmerung über Magyria gekommen war und nur die Tränen geblieben waren und das Bestreben, keine einzige davon zu vergießen.
    »Nein«, flüsterte er.
    »Dann sei noch ein Mal der Prinz des Lichts. Bitte. Ich muss zurück.«
    »Du sagtest, die Schatten würden vor der Brücke auf dich lauern.«
    »Vielleicht. Möglicherweise denken sie auch, dass die Wölfe mich erwischt haben. Ich muss es versuchen. Solange die Tagpatrouille nicht unterwegs ist, besteht keine Gefahr für dich. Die Nachtwache ist ausgelöscht, das habe ich dir schon gesagt.«
    »Um mich habe ich keine Angst«, sagte er.
    Dieser Junge, der sich zu wenig fürchtete. Immer noch. Immer noch Mattim. Kein Schatten hätte sie aus der Höhle herausgeführt und den schwarzen Wolf losgeschickt.
    »Ich helfe dir«, versprach er. »Allerdings unter einer Bedingung. Was ihr auch tut in diesem Kampf gegen die Schatten, lasst die Wölfe zufrieden. Keine Fallen mehr. Nehmt die Käfige weg. Kein einziger toter Wolf mehr. Ihr habt keine Ahnung, was ihr da auslöscht. Übermittle meinem Vater diese Forderung. Das ist meine Bedingung. Versprichst du mir das?«
    Sie dachte an die Untiere, von denen sie gejagt worden war, an das Entsetzen, die Angst, die furchtbare Gewissheit, dass sie verloren war. Und wieder, als tanzte er leichtfüßig über eine unsichtbare Grenzlinie, war er der Feind, gegen den sie nur mit List gewinnen

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