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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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konnte.
    »Ja. Ja, Prinz Mattim.«
    »Es ist das Einzige, was mir noch wichtig ist.«
    »Ich verspreche es.«
    »Dann komm.«
    Gemeinsam schlichen sie durch den Wald. So vertraut fühlte sich das an, wie etwas, das sie schon immer getan hatten, ihr ganzes Leben lang. Das war es, was sie zu Liebenden machte. Er würde sie nicht küssen und im Arm halten und ihr die Worte ins Ohr flüstern, nach denen sie sich sehnte. Nein, sie würden so, Seite an Seite, durch den Wald gehen, auf der Hut vor den Schatten. Genau das verband sie und schmiedete sie aneinander. Zwei Wächter im Dienst.
    Der schwarze Wolf tauchte von irgendwoher auf und drückte seine Schnauze in Mattims Hand. Der Junge kniete nieder, schlang die Arme um den mächtigen Hals und verhielt, als würde er horchen.
    »Es sind vier«, sagte er leise. »Drei Schatten rechts von uns und einer zur Linken. Kunun ist nicht dabei. Die Wölfe haben sich zurückgezogen, sie werden uns nicht in die Quere kommen.« Er hob den Kopf und sah Mirita an. »Wir müssen schnell sein. Zwischen ihnen hindurch und …«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Damit rechnen sie doch.«
    »Sie wissen nicht, dass du so weit gekommen bist. Dass du überhaupt noch lebst.«
    Wie er sie ansah. Freundschaftlich, fast liebevoll. Mit einer Zärtlichkeit, die nach Abschied schrie.
    Es ist keine Falle, in die du mich führst, oder? Warum solltest du weinen, wenn du mithilfst, Akink zu retten? Früher hättest du gejubelt. Nur gejubelt und gekämpft und sonst nichts. Aber sie verbot sich, ihn das zu fragen. Es brachte nichts, seinen Schmerz zu vergrößern, und ihren hätte sie dadurch nicht lindern können.
    Sie ging ihm nach. Seine Schritte waren viel leiser als ihre, unglaublich sanft und still, als hätte sein Körper kein Gewicht, als wäre er nichts als ein Geist. Als er plötzlich stehenblieb und sie gegen ihn prallte, war er jedoch so fest und wirklich wie jeder Mensch.
    Er hielt den Finger an die Lippen. »Hier kommen wir nicht durch«, flüsterte er. »Du machst zu viel Lärm. Wir müssen es anders versuchen.«
    Wie? Sie formte das Wort mit dem Mund, wagte nicht, es laut auszusprechen. Statt einer Antwort nahm er sie bei der Hand und führte sie einen anderen Weg, nicht mehr direkt auf die Brücke zu. Vor sich sah sie das Wasser des Donua schimmern. Selbst jetzt, in dieser lichtlosen Zeit, lag ein leichtes Glitzern auf den Wellen. Sie erreichten das Ufer vielleicht zweihundert Meter von der Brücke entfernt.
    »Schwimm«, sagte er.
    »Es ist zu weit«, protestierte sie.
    »Die Strömung wird dich auf die Brücke zutragen. Die Wachen werden dich bemerken, oder du musst sie rufen. Sie werden dich aus dem Wasser ziehen, wenn du nah genug an der Brücke bist.«
    »Meinst du?« Sie schluckte die Angst, die kleinlauten Fragen hinunter.
    »Geh«, sagte er. »Geh und rette Akink für das Licht.«
    In diesem Moment liebte sie ihn wieder, so sehr, dass alles zusammenpasste. Für Akink. Er und sie. Er hatte die Prüfung bestanden.
    Sie beide bedeuteten die Rettung Magyrias. Vielleicht war es genau das, worauf ihre schicksalhafte Liebe hinauslief, wozu sie beide bestimmt waren. Aus diesem Grund konnte ihr Herz sich nicht von ihm abwenden, deshalb konnte er nicht aufhören, sich ihr immer wieder zu nähern. Deshalb. Herzensgefährte, Seelengefährte, Leibesgefährte.
    Lass es geschehen …
    Mirita umarmte ihn heftig, und ihre Gefühle überwältigten sie. Sie versuchte ihn zu küssen, bereit dazu, in dieser Liebe aufzugehen. Doch Mattim hielt ihre Hände fest und schob sie sanft, aber entschieden zurück. »Rette dich«, wiederholte er.
    Seine grauen Augen, in denen Akink ruhte, die uralten Mauern und Steine, die vielen Jahrhunderte …
    »Werden wir uns wiedersehen?«, fragte sie und konnte doch nicht daran zweifeln.
    »Schwimm jetzt«, befahl er.
    Mirita streifte ihre Schuhe ab, legte den Umhang am Ufer nieder und stieg ins Wasser.

ZEHN
    Budapest, Ungarn
    Der Anruf beunruhigte Hanna mehr, als sie sich zunächst eingestehen wollte. Gedankenverloren spielte sie mit Attila ein Würfelspiel und merkte nicht einmal, dass er nach Kräften mogelte.
    Réka hatte so komisch geklungen. Die Fünfzehnjährige wusste genau, dass ihre Eltern ihr nicht erlaubten, mitten in der Woche woanders zu übernachten. Sie gehörte vielleicht nicht zu den bravsten Teenagern, aber meistens hielt sie sich an die Regeln. Solange es ging, versuchte Hanna sich damit zu beruhigen, dass Réka »vielleicht« gesagt hatte.

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