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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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glücklich. Aber es waren auch Schattenwölfe dabei, deutlich mehr, als Mattim erwartet hatte. Wenn es um wichtige Dinge ging, forderte Kunun stets die Hilfe seiner Wolfsgeschwister an, doch es gab Hunderte der großen, klugen Schattentiere.
    Sie unterschieden sich alle in der Farbe ihres Fells und ihrer Augen, kein Wolf glich dem anderen. Selbst im Ausdruck ihres Gesichts waren ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten zu erkennen. Immer noch konnte man die Menschen erahnen, die sie einmal gewesen waren. Es war Mattim fast unmöglich, sich von ihnen zu trennen. Von einem Rudel zum anderen hatte Bela ihn geführt, und in jedem gab es ein paar Schattenwölfe. Der junge Prinz konnte nicht genug davon bekommen, sie kennenzulernen. Dies war eine Welt, die Kunun ihm nicht gezeigt hatte, wohl weil sie ihm selbst verschlossen geblieben war.
    Auch Mattim blieb der Zugang verwehrt, solange er sich nicht verwandelt hatte. Er konnte die Wölfe verstehen; ganz natürlich erschien ihm das, aber zugleich wurde ihm auch schmerzlich bewusst, dass er lange nicht so lebendig war wie sie. Ihr Leben konnte er spüren. Wild und herrlich, kraftvoll, schlagende Herzen in blutwarmen Leibern. Bei ihnen zu sein, erinnerte ihn äußerst schmerzhaft daran, dass ihm selbst dieses Leben fehlte.
    Er war nichts als ein Schatten.
    Alles andere war geraubt.
    Entweder blieb er hier, im Dämmerlicht eines schon fast verlorenen Königreiches, oder er musste sich Nachschub besorgen. Mattim spürte den Hunger in sich, der ihm bewusst machte, dass er sein Leben in Gefahr brachte. Unterdrückte er seine Bedürfnisse zu lange, konnte er nur bei Nacht nach Budapest zurück.
    Es war verlockend, in Magyria zu bleiben. Hier, wo er vom Licht träumen konnte, ohne etwas Böses zu tun. In diesem sanften, wohltuenden Zwielicht tat es nicht mehr ganz so weh, ein Schatten zu sein, und er hatte nicht das Gefühl, dass er dazu verdammt war, alles zu vernichten, was er liebte. Hin und wieder kam es ihm sogar vor, als fiele seine menschliche Gestalt jeden Moment von ihm ab und er wäre ein Wolf, geborgen in der Mitte des Rudels, eingehüllt in eine Form, in der man menschliche Zweifel und Schmerzen vergessen konnte. Während er mit den Wölfen durch den Wald rannte oder zwischen ihnen auf dem Moos lag, dachte er: Jetzt! Jetzt wird es passieren! Aber es geschah nicht.
    Mit seinem Hunger wuchs eine seltsame Unruhe in ihm, die ihn nach Budapest zurücktrieb.
    Bis zum Abend wartete er noch. Die Dunkelheit verdichtete sich; wie feiner Nebel legte sie sich über alles. Da er nicht wusste, wie lange er noch ohne Blut leben konnte, hatte er sich dafür entschieden, nachts aufzubrechen. Das gab ihm ausreichend Zeit, sich ein Opfer zu suchen oder vor dem Morgengrauen wieder hierherzukommen – auf das Licht zu verzichten und ohne die dunkle Tat zurück zu den Wölfen zu gehen. Hier den Tag zu verbringen. Ohne Licht.
    Er hatte nicht gewusst, dass die Sehnsucht so stark sein konnte. Nach einem richtigen Tag. Nach richtigem Licht, nach Sonne. Nach Leben. Nach Hanna.
    »Ich komme ganz sicher zurück«, sagte er zu Bela. »Bald. Wenn ich es schaffe, schon morgen.«
    In der Nähe der Höhlen blieb der Wolf stehen. Sein Fell sträubte sich, und er knurrte kaum hörbar.
    Mattim duckte sich hinter die Bäume. Vorsichtig schlich er näher, seinen Tierbruder an der Seite.
    Der Abend senkte sich jetzt rasch herab. Trotzdem leuchtete etwas vor ihm auf, hell, strahlend hell. Es knisterte, unüberhörbar.
    Feuer.
    Der Eingang zur großen Höhle brannte. Der Prinz sah die Schemen von Wächtern zwischen sich und dem Feuer, sah sie umherrennen, hörte ihre gedämpften Stimmen.
    »Immer Nachschub«, sagte jemand. »Lasst es nicht ausgehen. Legt nach.«
    Sie wollten die Höhle nicht einfach ausräuchern, sondern den Ausgang dauerhaft blockieren. Dabei hatte er Mirita doch erzählt, dass es unzählige Pforten gab, dass es keinen Zweck hatte, eine einzige davon zu schließen! Wusste nicht selbst der König mittlerweile, dass es sich mit den Übergängen ganz anders verhielt als gedacht? Wenn die Wachen diesen Ausgang mit so viel Mühe blockierten, musste Akink überaus verzweifelt sein – und niemand hatte irgendetwas begriffen.
    Zum Glück hatte er Mirita nichts davon gesagt, dass es auch in der kleineren Höhle, durch die er mit Bela gekommen war, eine Pforte gab. Bei so viel Betrieb würde es allerdings schwer werden, dort ungesehen hineinzukommen. Und gefährlich, an diese Stelle zurückzukehren,

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