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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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mir genauso wenig.«
    »Es kann nicht schaden, noch ein Paar mehr auf Ihrer Seite zu haben. Wenn ich schon früher für Sie die Lage hätte auskundschaften können, hätten Sie vielleicht nicht diesen Bluterguss im Gesicht.«
    Clarke blieb stehen. Perreault flog mit der Fliege hinab, bis sie wenige Meter neben ihr in der Luft schwebte.
    »Und wenn Ihre Freunde nun die Lust verlieren?«, fragte die Rifterin. »Wenn die Verbindung erneut zusammenbricht?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht kehrt die Fliege dann einfach wieder zu ihrer regulären Route zurück. Zumindest kann sie nicht auf Sie schießen.«
    »Aber sie kann andere herbeirufen, die es können.«
    »Hören Sie, ich bleibe einfach auf Abstand«, bot Perreault an. »Sagen wir, ein paar hundert Meter. Ich halte mich in Reichweite Ihres Visors. Und wenn dieses Ding doch zu Bewusstsein kommen sollte, sind Sie einfach nur eine namenlose K-Strategin, die zufälligerweise in der Nähe war, als die Verbindung wiederhergestellt wurde. Die werden nicht zweimal hinschauen.«
    Zwei Meter backbordseits zuckte Clarke die Achseln.
    »Warum tun Sie das?«, fragte sie. »Warum ist es so wichtig, mir zu helfen?«
    Perreault dachte kurz darüber nach, ob sie ihr die Wahrheit erzählen sollte. »Ich weiß es nicht«, sagte sie schließlich. »Es ist einfach so.«
    Die Rifterin schüttelte den Kopf. Nach einer Weile sagte sie: »Ich bin nach Süden unterwegs.«
    »Nach Süden?« Perreault klickte erneut das tote Kompass-Icon an. Nichts geschah. Sie versuchte durch die trübe Wolkendecke hindurch die Position der Sonne auszumachen.
    Clarke setzte sich wieder in Bewegung. »Hier entlang«, sagte sie. Immer noch ohne einen Blick nach hinten zu werfen.
     
    Perreault hielt sich abseits der Straße und folgte der Richtung, in die sich Clarke bewegte. Sie rief das Kamera-Menü auf, da sie einen automatischen Zoom auf jede Bewegung einrichten wollte, die nicht auf den Wind zurückzuführen war, und stellte überrascht fest, dass ihr eine ganze Reihe von Blickwinkeln zur Verfügung standen. Abgesehen von den beiden Hauptkameras vorn besaß die Fliege auch welche an den Seiten, hinten und am Bauch. Sie konnte die Anzeige in vier Fenster aufteilen und nach allen Seiten hin die Umgebung überwachen.
    Lenie Clarke stapfte schweigend die Straße entlang, die Schultern gegen den Wind hochgezogen. Ihre Windjacke flatterte an ihrem Körper wie zerrissene Plastikfolie.
    »Ist Ihnen nicht kalt?«, fragte Perreault.
    »Hab meine Haut an.«
    »Ihre …« Ach ja, natürlich. Ihr Taucheranzug. »Reisen Sie immer auf diese Art und Weise?«
    »Sie waren diejenige, die mir davon abgeraten hat zu fliegen.«
    »Nun, ja, aber …«
    »Manchmal nehme ich den Bus«, sagte Clarke. »Oder ich fahre per Anhalter.«
    Reisemöglichkeiten, bei denen keine ID-Überprüfungen oder Ganzkörperscans durchgeführt wurden. Es steckte eine gewisse Ironie darin, dachte Perreault. In den letzten Wochen hatte Clarke vermutlich strengere Sicherheitskontrollen überwunden, als vor ein paar Jahrzehnten auch nur vorstellbar gewesen wären – doch die modernen Überprüfungen und Spießrutenläufe richteten sich gegen Krankheitserreger, nicht gegen Menschen. Wen kümmerten schon noch solche überholten Artefakte wie die persönliche Identität? Wer machte sich Gedanken über etwas so Willkürliches wie eine Landesgrenze? Die nationale Identität war inzwischen so irrelevant geworden, dass sich niemand auch nur die Mühe gemacht hatte, sie abzuschaffen.
    »Auf dieser Straße werden Sie so bald keine Mitfahrgelegenheit finden«, stellte Perreault fest. »Sie hätten auf der Hauptstraße bleiben sollen.«
    »Ich laufe gern allein. Da muss man nicht so viel überflüssigen Smalltalk betreiben.«
    Perreault verstand den Wink mit dem Zaunpfahl.
    Sie rief den Flugschreiber der Fliege auf, um herauszufinden, wie viel belastende Informationen das Gerät womöglich schon gespeichert hatte. Doch sein gesamtes Gedächtnis war gelöscht worden – ein Akt der Sabotage, der Perreaults Fähigkeiten bei Weitem überstieg. Selbst jetzt noch zeichnete die Black Box aus irgendeinem Grund den Datenstrom, den die Sensoren der Fliege an sie schickten, nicht auf.
    Perreault war erleichtert, wenn auch nicht sonderlich überrascht.
    »Sind Sie immer noch da?«, fragte Clarke.
    »Hm-hm. Die Verbindung steht noch.«
    »Inzwischen haben die offenbar mehr Übung darin.«
    Perreault erinnerte sich daran, wie Clarke im Schutzbunker automatisch auf ihr leeres

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