Mahlstrom
bestimmtes Ziel hin und benutzte dafür Lenie Clarke.
Und nicht nur das. Jetzt benutzte es auch ihn .
Sudbury war bei seinem Eintritt ins einundzwanzigste Jahrhundert bereits klinisch tot gewesen. Jahrzehnte des Bergbaus und ein Substrat aus dünner, schlecht gepufferter Erde trugen die Schuld daran. Die Schächte von Sudbury hatten im Zentrum einer der ersten großen Säurekatastrophen in der Geschichte Nordamerikas gestanden. Es war eine Art historischer Wendepunkt gewesen.
Das hatte durchaus auch sein Gutes. Es hieß, in der kahlen grauen Umgebung der Stadt hätten Mondastronauten ihre Übungen gemacht. Und die Seen der Gegend waren wahrhaft schön – so klar und blau und leblos wie chemisch behandelte Toilettenschüsseln. Der Untergrund war sehr stabil, von längst verschwundenen Gletschern eingeebnet und geglättet. Die Westküste mochte im Ozean versinken, doch der Kanadische Schild würde standhalten. Exotische, fremdartige Lebewesen gelangten mit Frachtern oder Liftern in das industrielle Hufeisen um den Lake Ontario und richteten dort verheerende Schäden an, wie sie es schon immer getan hatten. Aber um an den mit Säure getränkten Außenbezirken von Sudbury, Ontario, vorbeizukommen, musste man schon eine ziemlich toughe Schimäre sein. Die tote Zone der Stadt war wie ein Fesrungsgraben, eine Feuerschneise, die von dem industriellen Gift, das sich in über einem Jahrhundert dort angesammelt hatte, in die Landschaft gebrannt worden war.
Für die BRIKS hätte es keinen besseren Ort geben können, selbst wenn es so geplant gewesen wäre. Dieser Ort war resistent gegenüber den Katastrophen, die den Rest der Welt bedrohten, da er längst alles verloren hatte, was von Wert hätte sein können. Außerdem waren die Grundstückspreise hier sehr niedrig. Die Nickelmine war schon lange erschöpft, und seit die letzten Brennstäbe in Copper Cliff begraben worden waren, stand die Wirtschaft der Stadt vor dem Nichts.
Und in diese Lücke war die Entropie-Patrouille gesprungen. Die Zweigstelle in Sudbury gehörte zu den zehn wichtigsten der gesamten Hemisphäre.
Es überraschte Ken Lubin nicht, dass sich sein Gegenspieler dort befand. Der mysteriöse Fahnder schien nicht genau gewusst zu haben, wonach er oder sie suchte. Die Zuflucht hatte am schnellsten reagiert, wenn es um ökologische Auswirkungen und korrelative Epidemiologie gegangen war, und am langsamsten bei Fragen nach subzellulären Organellen und biochemischen Stoffwechselbahnen. Das waren nicht die Spuren von jemandem, der mit seinem Thema bis ins Detail vertraut war. Sondern eher die von jemandem, der nach etwas Neuem und Rätselhaftem suchte.
Es handelte sich also nicht um eine Pharmafirma, sondern um jemanden, der sich mit ökologischen Fragestellungen befasste und – da er Zugang zur Zuflucht besaß – über weitreichende Sicherheitsfreigaben und Unabhängigkeit verfügte. Die Entropie-Patrouille war die einzige Einrichtung, auf deren Mitarbeiter diese Beschreibung passte.
Ein Vorteil der Patrouille war, dass sie recht paranoid war, was den Zugang zu ihrer Einrichtung betraf. In einer Welt voller Telearbeiter nahmen die Gesetzesbrecher immer noch täglich den Weg durch die wirkliche Welt zu der riesigen, sicheren Katakombe auf sich, die direkt mit der Zuflucht verbunden war. Niemand wäre so dumm gewesen, einen Entropieausbruch vom heimischen Terminal aus unter Kontrolle bringen zu wollen, selbst wenn das möglich gewesen wäre. In der BRIKS waren sogar die Verbindungen zum Mahlstrom überdurchschnittlich gut gesichert.
Das machte es sehr einfach, die Mitarbeiter der Behörde auszuspionieren, denn sie mussten das Gebäude allesamt durch das Foyer betreten.
Natürlich gab es keine Auflistung der einzelnen Gesetzesbrecher . Allerdings gab es eine Liste der Abteilungsleiter, die an den Informationskiosken in der Eingangshalle erhältlich war. Als Lubin hatte, was er brauchte, ging er wieder hinaus und machte sich auf den Weg zur nächsten Rapitrans-Haltestelle.
Donald Lertzman war der Prototyp eines Mittelsmanns. Seine Karriere hatte ihn auf jenes angenehme Plateau befördert, das ihn über diejenigen erhob, die die produktive Arbeit machten, aber noch unterhalb einer Position lag, in der er tatsächlich wichtige Entscheidungen hätte treffen können. Womöglich war ihm das in gewisser Hinsicht sogar bewusst. Vielleicht war das frei stehende Haus am Rande der toten Zone von Sudbury, das hinter einer Hecke aus säureresistenten
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